Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
vorgestellt hatten, dass hier alle mit Silber zu tun hatten, stellte sie nun fest, dass dies keineswegs der Fall war. Hunderte von Läden mit allen erdenklichen Waren gab es.
Catalina gewann den Eindruck, die Stadt bestünde vor allem aus wohlhabenden Händlern und schmucken Geschäften. Lebensmittelläden gab es an allen Ecken, andere boten Bau- und Brennholz an, Schwarzpulver, Stoffe, Werkzeuge, ja, selbst Läden für Koka gab es! Immer tiefer drang Catalina in das Herz der Stadt vor, sah die aufwändig gearbeiteten Kutschen, die edlen Kleider der Damen und die einzigartigen Geschmeide aus Rubinen und Smaragden an ihren Hälsen sowie die goldbetressten Mäntel der Herren, die ihnen beim Aussteigen den Arm reichten. Ja, sie fand bestätigt, was Stefano ihr erzählt hatte. Die Leute waren hier wirklich reich, und je näher sie dem Stadtzentrum mit der Plaza de Armas kam, desto prächtiger und imposanter wurden die Häuser und desto ehrfurchtgebietender die Wappen an den Portalen, und schließlich fuhr gar eine Kutsche an ihr vorbei, deren Pferde komplett in Gold geschirrt waren. Ungläubig sah Catalina ihr nach. Im gleichen Moment fuhr sie ein Mann an: »Jetzt geh schon aus dem Weg, na los, mach, dass du mit deinem Viehzeug weiterkommst!«
Catalina fuhr herum und erkannte, dass sie mit ihren beiden Tieren tatsächlich im Weg war. Auf der ganzen Plaza de Armas herrschte ein Gedränge von Menschen, Karren, Kutschen und Lasttieren, und als Catalina nach rechts auswich, schimpfte sie ein feiner Herr aus: »Kannst du denn nicht aufpassen, du tumber Kerl!« Er scheuchte seine beiden rotbedressten Lakaien mit einer Eile weiter, als ginge es um Leben und Tod. Verwundert sah Catalina ihnen hinterher und stellte fest, dass alle es hier unglaublich eilig zu haben schienen.
»Das liegt am Silber«, raunte ihr ein alter, zahnloser Mann mit Krückstock zu, der ihre Blicke bemerkt hatte. »Es macht die Menschen gierig, lässt sie nicht mehr zur Ruhe kommen. Hör auf meinen Rat: Bleib nicht hier, wenn du nicht genauso werden willst.«
Unsicher blickte Catalina dem alten Mann nach.
Catalina verzog sich in die Seitenstraßen, in denen es um einiges ruhiger zuging, fragte sich nach dem Baskenviertel durch und saß kurz darauf in einer schlicht eingerichteten Taverne ihrer Landsleute. Catalina fand es seltsam, nach all diesen Wochen wieder auf einem Hocker zu sitzen. Neugierig blickte sie sich um. Nach einer Weile schlurfte eine ältere Kellnerin zu ihr hin und hob die Augenbrauen, als sie Catalinas abgerissene Kleider sah. Ärgerlich warf Catalina zwei Münzen auf den Tisch. Die Kellnerin nickte ihr zu.
»Also, was soll’s denn sein?«, fragte sie und ließ sich nun auch dazu herab, ihren Tisch abzuwischen.
»Ein schönes, großes Bier hätte ich gern«, erwiderte Catalina. »Und was zum Essen! Was gibt es denn?«
Die Frau zählte ein paar Gerichte auf. Catalina bestellte eine Linsensuppe mit Brot, die ihr die Frau auch gleich brachte.
Während Catalina die gut gewürzte, wohltuend heiße Suppe in sich hineinlöffelte, lauschte sie auf die Gespräche um sich herum. Die meisten redeten von ihren Geschäften und prahlten damit, wie gut sie liefen, ein paar saßen auch nur da und aßen oder versuchten ihr Glück beim Würfelspiel. An einem Tisch ganz in ihrer Nähe aber drückten die Männer ihre Köpfe sehr viel enger zusammen, und ihre Mienen waren voller Sorge. Catalina rückte mit ihrem Stuhl ein wenig in ihre Richtung. Sie schnappte das Wort »Waffen« auf und »Ehre« und »verdammte Kastilier!«, aber dann merkten die Männer, dass sie lauschte, und zahlten und gingen. Kaum war die Kneipentür hinter ihnen zugefallen, winkte Catalina die Kellnerin zu sich und bezahlte ebenfalls. Als die Frau sah, wie großzügig Catalina ihr Trinkgeld bemessen hatte, lächelte sie, wobei zwei große Zahnlücken sichtbar wurden.
»Umsonst ist das Leben …« Abwartend klimperte sie mit den Münzen. Catalina musste lachen und zeigte auf den leer gewordenen Tisch neben ihr.
»Was haben sie gegen die Kastilier?«, fragte sie auf Baskisch.
Die Frau sah sie abschätzend an, legte das Trinkgeld, das sie ihr gegeben hatte, zurück auf den Tisch und verschwand hinter den Tresen.
Auch in den nächsten Tagen hörte Catalina ihre Landsleute immer wieder erbittert gegen die Kastilier hetzen, und wenn sie durch deren Viertel streifte, merkte sie, dass die nicht minder schlecht auf die Basken zu sprechen waren. Natürlich kam es auch in Spanien
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