Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
hinterher. Sie sah, wie Mikel Carmen auf die Schulter küsste, hörte ihr helles Lachen und rannte dann zum Wagen, schnappte sich einen der Äpfel und schleuderte ihn in Mikels Richtung. Er zerplatzte nur wenige Millimeter neben seinem Kopf an der Haustür. Der Saft spritzte Mikel auf das Wams und ins Gesicht; zäh wie Spucke rann das Fruchtfleisch an dem morschen Türholz hinab. Mikel führte sein Gespräch mit Carmen ruhig zu Ende. Erst als diese um die nächste Ecke verschwunden war, wandte er sich Catalina zu.
»Wag das bloß nie wieder!«, fuhr er sie an.
»Aber wenn es doch wahr ist«, platzte es aus Catalina heraus. »Wie einen Leibeigenen behandelst du mich! Lässt mich die Einkäufe machen, den Kram zum Wagen schleppen und verstauen, turtelst derweil alle paar Tage mit einem anderen Weib herum und kümmerst dich einen feuchten Kehricht darum, dass eine deiner Verflossenen vor Kummer über dein Verhalten gerade in den nächstbesten Fluss springt.«
Mikel packte sie hart am Arm. »Dann geh sie doch trösten! Oder geht es dir gar nicht um sie? Sondern nur um dich selbst? Weil du eifersüchtig bist? Ja, eifersüchtig! Weil du … weil du einfach nicht normal bist.«
Sein Vorwurf und noch mehr die kalte Wut, mit der er ihn ihr entgegenschleuderte, traf Catalina wie eine Ohrfeige.
Gefühle?, dachte sie. Habe ich mir vor ein paar Tagen tatsächlich eingebildet, Mikel würde etwas für mich empfinden? Nein, nichts empfindet er für mich, und auch nicht für eine andere Frau. Nur seinen Spaß will er haben!
»Du spinnst ja«, keuchte sie. »Und jetzt lass mich los, hörst du, loslassen sollst du mich! Du tust mir weh!«
Bevor Mikel sie losließ, versetzte er ihr noch einen Stoß. Catalina verlor das Gleichgewicht und fiel in den Straßenstaub. Sofort fanden sich ein paar Gaffer und feuerten sie an.
»He, Bürschchen, das wirst du dir doch nicht gefallen lassen! Los, auf die Füße und zurückgeschlagen!«
Catalina blickte hoch und sah die Verachtung in Mikels Augen. Mit einem Satz war sie auf den Beinen, zog ihren Degen und stürmte auf Mikel los, der seine Klinge gerade noch rechtzeitig ziehen konnte, um Catalinas Stoß abzuwehren.
»Ho ho!«, freute sich die Menge und zog einen Kreis um sie. »Endlich ist mal wieder was los!«
Catalina hatte nicht damit gerechnet, dass Mikel so prompt reagieren würde. Kraftvoll hieb er zurück, drängte sie gegen den Wagen, und mit einem Mal ging Mikel in die Hocke und attackierte Catalinas Fersen mit einem weiten Rückhandhieb. Sie hatte keinen Platz, um zurückzuweichen, sprang mit beiden Füßen in die Luft und hörte Mikels messerscharfen Degen unter ihren Stiefelsohlen hindurchsausen. Catalina wurde klar, dass sie sich einen gefährlichen Gegner ausgesucht hatte, der nicht weniger wütend war als sie und sie nicht schonen würde. Gegen ihn hatte sie nur eine Chance, wenn sie es zu nutzen verstand, dass sie kleiner und wendiger war als er.
»Na los, zeig’s ihm!«, feuerte die Menge sie an. »Gib ihm Saures!«
Catalina machte einen Ausfallschritt, stach auf Mikels rechten Arm ein, doch er wich zurück und konterte, indem er auf ihren Bauch zielte, aber auch sein Hieb geriet zu kurz; er ritzte sie kaum. Wie zwei Katzen umkreisten sie einander, maßen sich Auge in Auge, Klinge an Klinge, und waren beide darauf aus, jede Schwäche des anderen auszunutzen. Auf einmal rutschte Catalina auf einem Obstrest aus, und im gleichen Moment schnellte Mikel vor und stieß erneut auf Catalinas Bauch zu. Catalina sprang zurück, knallte aber mit dem Rücken gegen die Kutsche. Entsetzt sah sie Mikels Degen auf ihren Bauch zuschießen und meinte den Einstich schon zu spüren, doch Mikel bremste den Stoß in letzter Sekunde ab.
»Dein Leben dafür, dass du meines in Potosí gerettet hast«, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Damit sind wir quitt! Das nächste Mal kommst du nicht so davon, also hüte dich! Und halte dich ab sofort von mir fern!«
Er steckte seinen Degen ein, sprang auf den Kutschbock und knallte die Peitsche auf die Pferde. Die Tiere bäumten sich auf und jagten durch die erschrocken zur Seite springende Menge über den Marktplatz.
Catalina machte sich erst eine Stunde später auf den Rückweg. Bis sie in der Festung ankam, hatten ihre Kameraden schon längst zu Mittag gegessen. Doch Catalina hatte ohnehin keinen Hunger. Sie lief in den Saal, in dem sie zusammen mit dreißig anderen Soldaten schlief. Hinlegen wollte sie sich, die Decke über den Kopf
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