Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
Mikel und Catalina aufmerksam wurde, übergoss sie sie mit unflätigen Ausdrücken. Verängstigt griff Catalina nach Mikels Ärmel, doch da schob er sie schon in eine Taverne.
Kerzen und Öllampen warfen ein unruhiges Licht in den von Menschen überquellenden und lärmerfüllten Raum. Mikel zeigte auf einen kleinen Tisch ganz hinten im Lokal, der als einziger noch frei war.
»Setz dich da hin«, rief er Catalina zu. »Und rühr dich nicht vom Fleck, bis ich wiederkomme!«
Catalina saß noch nicht, da war Mikel schon wieder verschwunden. An den Tischen um sie herum erhitzten sich die Männer beim Würfelspiel, weiter hinten spielte man Karten. Aus den Gesichtern der Männer sprachen Verzweiflung und Gier, ihre Kleider waren verlumpt, wenn auch hier und da ein Überbleibsel vergangenen Glanzes hervorblitzte: ein Degen aus Toledaner Stahl, ein Federbarett, ein Wehrgehänge aus feinem Korduanleder, eine hochherrschaftliche Krause. Auch am Tresen ging es lautstark zu, und auf einmal versetzte einer der Männer dort einem anderen einen so heftigen Stoß, dass der quer durch den Raum flog. Rasch machte der Wirt einem Schankmädchen ein Zeichen. Sie schlenderte zum Tresen, strich dem einen Mann über die Brust, zog den anderen mit lockendem Lächeln am Hemd, ließ den Nächsten ihren üppigen Busen am Arm spüren. Als der Weggestoßene zurückkam, hatte sie auch für ihn einen verführerischen Blick und strich mit hin- und herschwingenden Hüften um ihn herum, worauf er sich zu ihr hinabbeugte und ihr seine Zunge in den Hals stieß. Die Männer klatschten und johlten. Catalina rückte mit ihrem Schemel enger an die Wand.
» Mon dieu, kannst du nicht aufpassen, du verdammter Flegel!«, schimpfte sie da der Mann am Nebentisch aus.
Catalina sprang auf, hob ihren Schemel hoch und wischte den Mantelsaum des Nachbarn sauber. Sie wunderte sich, wo der auf einmal herkam.
»Verzeiht! Und seht, Eurem Mantel ist gar nichts passiert!«
Der kleine, spitzbärtige Mann entriss ihr den Mantelsaum, musterte ihn mit seinen flinken Fledermausäuglein und wischte auch selbst noch einmal darüber. Catalina fiel auf, dass er sorgfältiger als die übrigen Gäste der Taverne gekleidet war. Er trug einen hellen Gehrock, grüne Seidenculotten, feine Stiefel und an seiner rechten Seite blitzte ein eleganter Degen. »Ungehobeltes Pack, das ihr hier alle seid!«
Catalinas Augen wurden dunkler, doch dann fiel ihr Mikels Ermahnung ein, und sie setzte sich. Auch der Franzose nahm seinen Platz wieder ein. Er trank einen großen Schluck von seinem Wein und schüttelte missbilligend den Kopf. » Mon dieu, mon dieu. Schon die Jungen, schon die Jungen! Was für ein Land!«
Catalina sah ihn verständnislos an.
»Du brauchst dich doch nur selber anzusehen!«, zeterte er weiter. »Wie du herumläufst! Völlig verwahrlost und verdreckt! Wie alt bist du? Fünfzehn? Sechzehn? Was tust du am helllichten Tag in einer Taverne? Warum arbeitest du nicht? Oder studierst? Ein Land der Faulenzer seid ihr, ein Land der Faulenzer. Und welche Ausrede hast du dafür? Aber, ach, was frage ich überhaupt: Mit Sicherheit bist du auch einer dieser hidalgos! Ha! Ein hijo de algo, der Sohn von jemandem, ein Edelmann – zu edel, um zu arbeiten, das wohl vor allen Dingen!«
Catalina krallte die Hände um die Sitzfläche ihres Stuhls.
»Ja, guck du nur, aber ich weiß, wovon ich rede. Ich komme herum in diesem Land. Ich sehe, wie es zugeht. In ganz Spanien findest du nicht einen Wasserträger mehr, der kein Ausländer wäre, und die meisten Schneider, Maurer und Zimmerleute stammen ebenfalls nicht von hier. Nicht einmal euer Land bebaut ihr mehr selbst! Wie viele Bauern aus Béarn kommen zum Pflügen, Säen und Ernten nach Aragonien. Sie verdienen viel Geld damit, für die Spanier die Saat unter die Erde zu bringen und die Ernte einzufahren. Seit ihr auf das peruanische Gold schielt, habt ihr es ja nicht mehr nötig zu arbeiten. Ihr sitzt nur noch herum, sauft, spielt, gebt euch dem Laster hin! Und so manch einer von denen, die hier sitzen, ist auch noch ein ehemaliger Soldat und gar tatsächlich ein Mann von Stand. Vorbild sollten sie sein, Vorbild! Und was tun sie?«
Catalina knirschte mit den Zähnen. Sicher, die Männer hier gefielen ihr auch nicht allzu sehr, aber dieser blasierte Franzose – welches Recht hatte der, sie zu kritisieren? Wenn es ihm hier nicht gefiel, sollte er doch dahin zurückgehen, wo er hergekommen war!
»König von Kastilien nennt sich euer
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