Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
solchen Stoß versetzt, dass sie beinahe hingefallen wäre. Sie fuhr herum. Statt sich zu entschuldigen rollte ihr der Matrose fast sein Wasserfass über die Füße. Catalina sprang zur Seite und bekam gleich den nächsten Knuff. Wieder wandte sie sich um – und blickte in die schmalsten Augen, die sie je gesehen hatte.
»Was glotzt du denn so?«, herrschte der Chinese sie an. »Mach lieber, dass du aus dem Weg kommst! Du siehst doch, wie schwer ich zu tragen habe.«
Catalina trat zur Seite. Der Chinese kämpfte sich mit einem mächtigen Sack an ihr vorbei. Catalina eilte ihm nach.
»He, warte, ich helfe dir!«
Verwundert blickte sich der Chinese zu ihr um, wobei sein taillenlanger Zopf über die Schulter fiel.
»Hast du heute deinen großzügigen Tag oder bist du schlicht zu dumm, um einen armen Schiffskoch von einem zahlungskräftigen Kapitän unterscheiden zu können?«
Catalina ahnte, dass sich hinter seiner barschen Art viel Gutmütigkeit verbarg. Sie lächelte ihn freundschaftlich an. »Das Erste!«
Sie hob den zum Bersten gefüllten Jutesack von hinten an. Mit einem erleichterten Stöhnen ließ der Chinese den Sack von der Schulter gleiten und schleppte ihn nun mit Catalina zusammen.
»Hier vorn entlang, zur Santa Maria«, erklärte er ihr und warf ihr immer wieder misstrauische Seitenblicke zu. »Bilde dir bloß nicht ein, dass du von mir zum Dank auch nur das winzigste Realchen kriegst!«
Catalina nickte; viele Worte hätte sie ohnehin nicht machen können. Von Meter zu Meter wunderte sie sich mehr, dass der Chinese, der kaum kräftiger als sie selbst wirkte, den schweren Sack allein hatte tragen können. Endlich erreichten sie die Santa Maria, und wie Catalina gehofft hatte, nahm der Chinese ihr Angebot, ihm den Sack mit aufs Schiff zu tragen, gerne an. Doch kaum hatten sie den Fuß auf das Deck der imposanten, viermastigen Galeone gesetzt, rannte der Erste Offizier auf sie zu.
»Wo treibst du dich denn so lange herum, Schlitzauge!«, donnerte der gewichtige Mann den Chinesen an. Vor Wut blähten sich seine Nasenflügel. Catalina verbarg sich hinter ihrer Traglast.
»Die Extrarationen für die Offiziersmesse solltest du besorgen gehen, aber nicht schon einen Landgang abfeiern, bevor die Reise auch nur begonnen hat!«, polterte der Offizier weiter. »Als ob du nicht genau wüsstest, dass wir noch bei Flut auslaufen müssen.«
Der Chinese murmelte ein sonores »Aye, aye, Sire« und lief dann so unvermittelt weiter, dass Catalina beinahe hinfiel. Kurz darauf ertönte hinter ihnen ein gellender Schmerzensschrei. Erschrocken fuhr Catalina herum und sah, wie der Erste Offizier einen krummbeinigen Matrosen schlug.
»Spatzenhirn, verdammtes!«, brüllte er den Mann an und knallte ihm das Endstück seiner Peitsche auf den Kopf. »Dir werde ich es geben, Fässer unbefestigt aufs Deck zu stellen! Sollen wir von denen auf See alle plattgerollt werden?«
Der Chinese zeigte auf eine Luke, die sie in den Laderaum führte. Catalina stieg noch vor ihm nach unten und hoffte, auch nicht so bald wieder hochkommen zu müssen.
Im Vorratsraum stapelten sich die Säcke bis zur Decke, daneben standen Fässer. Der Chinese erklärte ihr, dass darin Weizenmehl, Bohnen, Schiffszwieback, Trockenfisch, Pökelfleisch, Wasser, Wein und Rum transportiert wurden. Catalina staunte. »Das sieht aber nicht danach aus, als ob ihr nur zum nächsten Hafen schippern wolltet.«
»Gut beobachtet. Wir müssen zwar erst noch nach Sevilla, aber unser eigentliches Ziel heißt Las Indias.«
Catalina starrte ihn an: Sevilla – da war doch Mikel! Der Chinese schloss den Verschlag auf und ließ sich von Catalina den Inhalt des Sackes anreichen. Etliche Kilo Äpfel waren darin, Birnen, Kartoffeln, Reis, Nüsse … Catalina pfiff durch die Zähne. »Ihr lebt ja nicht schlecht auf eurem Schiff.«
»Hast du oben nicht zugehört? Die Sachen sind für die Offiziere und den Kapitän! Oder hast du geglaubt, die hohen Herren geben sich mit dem Fraß von unsereins zufrieden?«
Er nahm von Catalina drei Bündel Zwiebeln entgegen und hängte sie an einen Haken. »Und jetzt beeil dich; es wird Zeit, dass du vom Schiff runterkommst! In spätestens einer halben Stunde laufen wir aus.«
Catalina reichte ihm auch noch die anderen Lebensmittel und sah sich um. Hier unten waren etliche Verschläge und Kammern: für die Handelsware, die Tiere, die zum Verzehr gedacht waren, für Segel, Taue und anderes Material. Es wäre leicht, sich hier unten zu
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