Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
während sich ihre andere Schwester auf der Stelle in eine jadegrüne Seide verliebte und nicht mehr von ihr wegzubringen war. Georges wickelte drei Ellen von einem rubinroten Samt ab und hielt ihn Virginia vor.
»Als mir mein Händler in Toulouse diesen Stoff gezeigt hat, dachte ich, dass der wie geschaffen für Euch ist! Habt Ihr je einen edleren Stoff gesehen?«
Hingerissen strich Virginia über den schimmernden Stoff. »Er ist wirklich einzigartig!«
Georges ließ Catalina den goldfarbenen Seidenstoff neben den Samt halten und zeigte den Mädchen Zeichnungen mit den neuesten französischen Schnitten.
»In Paris unterlegt man die Ärmel der Kleider jetzt mit kontrastfarbigen Falten«, erklärte er ihnen und führte ihnen den Effekt mit den beiden Stoffen vor. Begeistert bestürmten die Mädchen ihre Mutter, von beiden Stoffen eine größere Menge zu erstehen. Sie willigte ein und bat Georges, ihrer jüngsten Tochter einen hübschen Kontraststoff für die jadegrüne Seide zu zeigen. Georges legte ihnen verschiedene vor, die Mädchen wiesen auf weitere, dann entdeckte auch die Mutter noch einen, der passen könnte, und schließlich ließ sich sogar die Tante vom allgemeinen Jagdfieber anstecken. Einzig die Grande Dame des Hauses, die in dem hochlehnigen Stuhl am anderen Ende des Zimmers thronte, zeigte sich unbeeindruckt und mahnte die Mädchen in regelmäßigen Abständen mit einem »Calmaros, hijas mias, calmaros, por favor!« um Mäßigung.
Mitten im schönsten Trubel öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer. Ein eleganter Herr Mitte vierzig trat ein. Der Vater der Mädchen wurde von ihnen sofort zu ihren Lieblingsstoffen gezogen. Lachend ließ er sie gewähren. Die heiter verspielte Szene versetzte Catalina einen Stich. Wie anders war es im Haus ihrer Eltern zugegangen … Niemals hätte sich ihr Vater von ihr oder ihren Schwestern so herumziehen lassen, nie diese Nähe, diese Leichtigkeit, diese Zärtlichkeit zugelassen. Wenn er überhaupt einmal das Wort an sie gerichtet hatte, so nur, um zu fragen, ob sie ihre Aufgaben ordentlich verrichtet hatten. Und auch ihre Mutter … Aus streng katholischem Haus kommend und eigentlich für ein Leben im Kloster bestimmt, hatte sie nach dem Tod ihrer älteren Schwester doch den Ehering nehmen müssen und dies nie wirklich verwunden. Ihr einziger Trost war gewesen, dass sie später vier Töchter bekommen hatte, die sie statt ihrer dem Leben für Gott zuführen konnte. Nähe hatte auch sie nie zugelassen. Wichtiger war ihr gewesen, dass ihre Töchter ihre Gebete nicht vergaßen. Und trotzdem, da war sich Catalina sicher, hatte sie ihre Kinder geliebt. Auf ihre eigene stille, zurückhaltende Art.
Nachdem die Mädchen ihrem Vater ihre Lieblingsstoffe vorgeführt hatten, fand der endlich die Gelegenheit, Georges zu begrüßen. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, mit welcher Ungeduld die Damen Euch erwartet haben!«
Georges verbeugte sich und das gleich noch einmal, als er hörte, dass Don Urrea ihm zwei Freunde vorstellen wollte, deren Familien seine Dienste ebenfalls gern in Anspruch nehmen würden. Don Urrea ging zurück zur Tür zum Nebenzimmer. »Der französische Tuchhändler ist jetzt da! Don Franco, Don de Erauso – wenn ich Euch nun miteinander bekannt machen darf?«
Als der Name ihres Vaters fiel, erblasste Catalina. Ein Stuhl fiel hinter ihr zu Boden. Hastig richtete Georges ihn wieder auf.
»Was ist denn heute los mit dir?«, zischte er sie an, aber noch ehe sie antworten konnte, traten die angekündigten Herren ein. Mit seiner mächtigen Gestalt überragte Don de Erauso Don Urrea und Don Franco um eine gute Haupteslänge. Seine markanten Gesichtszüge, das dicke, widerspenstige Haar, das Catalina von ihm geerbt hatte, und die Entschiedenheit seiner Gesten unterstrichen seine Dominanz. Don Urrea machte ihn und Don Franco mit Georges bekannt. Sie vereinbarten, dass er morgen bei ihnen vorbeikäme, und wandten sich anschließend den Damen zu, die sich nach dem Befinden der werten Gattinnen erkundigten und versicherten, dass man sich am kommenden Wochenende beim Ball der Mendozas treffen würde. Catalina stand wie erstarrt an die Wand gepresst. Don de Erauso bemerkte sie erst, als er sich schon wieder zum Gehen wandte. Gleichmütig glitt sein Blick über sie hinweg, dann stutzte er. Doch da schallte die helle Stimme der alten Dame durch den Raum.
»Ach, Don de Erauso, was ich Euch fragen wollte: Habt Ihr eigentlich noch immer keine Nachrichten über den
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