Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
rafften sie die Segel und nahmen Fahrt auf. Wie sehr hatte Catalina sich auf den Moment des Ablegens gefreut und bekam jetzt kaum etwas davon mit. Noch immer hing sie schrubbend über den Planken und versuchte, weder an ihre Arme noch an ihre Knie zu denken, und überdies befürchtete sie, dass ihr gleich der Rücken durchbrach. Erst als eine weitere Stunde vergangen war, orderte der Chinese sie zum Kartoffelschälen ab. Catalina sah ihn unsicher an. »Und der Erste Offizier …?«
»Der Befehl kam von ihm. Für den restlichen Abend sollst du dich bei mir in der Küche nützlich machen.« Er reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. »Übrigens brauchst du dir nicht einzubilden, dass er Mitleid mit dir hatte. Er will nur einfach früher essen.«
Catalina folgte dem Chinesen in die Küche. Er gab ihr ein Messer, das ihre schmerzenden Finger kaum zu halten vermochten. Da schob er ihr die Hemdsärmel hoch, massierte mit seinen kräftigen Händen ihre Arme und bearbeitete dabei verschiedene Punkte mit besonderem Druck. Catalina wunderte sich, wie schnell die Schmerzen nachließen.
»Kannst du zaubern?«
»Schön wär’s!« Der Koch lachte. »Mit meinen Akupunkturnadeln könnte ich noch viel mehr ausrichten, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit.«
»Von wem hast du das gelernt?«
»Von meinem Vater. Leider habe ich vieles von dem vergessen, was er mir beigebracht hat.« Während er mit seiner Behandlung noch eine Weile fortfuhr, erzählte er Catalina von ihm. Ein großer Arzt sei er gewesen und habe vielen Menschen mit seinen Akupunkturnadeln und Kräutern das Leben gerettet. Doch dann sei er krank geworden, und gerade bei ihm selbst habe seine Kunst versagt. Seine Mutter hatte ihn und seine sieben Geschwister nicht allein durchbringen können und deswegen ihn auf einem Schiff und seine beiden jüngeren Brüder bei Händlern untergebracht, damit sie für den Unterhalt der Familie sorgten. Schon seit zehn Jahren fuhr er nun zur See, drei Jahre auf dieser Galeone.
»Was ist denn?«, fragte Catalina verunsichert, als er plötzlich verstummte.
Statt zu antworten, bearbeitete der Chinese noch zwei neue Punkte an ihrem Arm. »Was machen die Schmerzen jetzt?«
Catalina bewegte die Arme, Hände und Finger und nickte froh. »Tausendmal besser! Wie heißt du eigentlich?«
»Tao Te Chen.« Er legte die Hände vor dem Gesicht zusammen und verbeugte sich. »Und wie lässt du dich nennen?«
»Was … wie meinst du das?«, stammelte Catalina. Tao Te Chen ging zum Kombüsenschrank und zog aus einer der Schubladen einen langen Baumwollstreifen hervor.
»Ich nehme an, du willst dieses Versteckspiel noch eine ganze Weile weiter betreiben?«
Catalina errötete bis zum Haaransatz.
»Keine Angst«, murmelte Tao Te Chen. »Von mir erfährt niemand etwas. Aber wenn du nicht willst, dass die anderen es von allein herausfinden, solltest du unbedingt anfangen, dir die Brust zu umwickeln. Je fester du sie schnürst, desto weniger wird sie sich entwickeln. Bei uns in China hindert man damit die Füße der Mädchen am Wachsen. Bei einem baskischen Busen funktioniert es sicher auch.« Er reichte Catalina den Baumwollstreifen und verließ die Kombüse. Kurz bevor die Tür hinter ihm zufiel, hörte Catalina ihn noch brummen: »… wusste ich doch, dass mich diese Gefälligkeit noch teuer zu stehen kommen würde, und ich befürchte, dass das hier noch längst nicht alles gewesen ist!«
9
D ie herrlichen Butterkartoffeln, die marinierten Rinderfilets und die geschmorten Bohnen durfte Catalina wohl in die komfortabel eingerichtete Offiziersmesse tragen, davon kosten oder sich auch nur mit der Hand auf einen der dick gepolsterten Stühle aufstützen durfte sie jedoch nicht. Sie und Tao Te Chen mussten genau wie die anderen fünf Dutzend Matrosen, die gerade dienstfrei hatten, zum Essen nach unten in den engen, nur notdürftig von ein paar Petroleumlampen erhellten Mannschaftsraum hinabsteigen. Tao Te Chen drückte Catalina und einem anderen Matrosen einen Stapel Schüsseln und Löffel in die Hand und folgte ihnen mit seinem großen Suppentopf nach unten. Der Gestank, der ihnen dort entgegenschlug, nahm Catalina den Atem. Nach billigstem Rum roch es, nach schweißigen Füßen, fauligen Zähne, gärigen Darmwinden … Am liebsten hätte sich Catalina die Nase zugehalten, aber sie sah ja, dass sie offenbar die Einzige war, die sich an den Gerüchen hier unten störte. Tao Te Chen sagte ihr, dass sie sich auf eine der Kisten setzen könne,
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