Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
Silberflotte nicht nur mit diesem riesigen Begrüßungskomitee, sondern auch mit einem mehrere Tage währenden Fest feierte, das dem der Sevillaner in nichts nachstehe.
»Du darfst nicht vergessen, welche Schätze wir ihnen bringen: Was dem spanischen König sein peruanisches Gold, sind den Leuten hier flandrische Kupferstiche, kalabrische Seide, persische Teppiche, türkische Gewürze und was die Schiffe noch so alles mitführen. Volle sechs Monate müssen deine Landsleute immer warten, bis neue Ware kommt, und sich in der Zwischenzeit mit den Dingen begnügen, die hier hergestellt werden – was bislang, zum großen Leidwesen all der Reichen hier, so gut wie nichts ist. Was nutzt einem schließlich alles Geld und Gold, wenn es nichts gibt, was man sich dafür kaufen kann? Es ist tatsächlich so, dass man nirgends sonst in der Welt so schnell reich werden kann wie hier. Die einen werden es durch ihre Silberminen, andere suchen Gold und Edelsteine oder verdienen sich als Großgrundbesitzer oder in einem der hier so locker vergebenen kirchlichen und staatlichen Ämtern eine goldene Nase – und mit genau der gleichen Leichtigkeit, mit der die Leute hier ihr Vermögen machen, geben sie es nachher auch wieder aus. Wart nur mal ab, wenn du nach dem Löschen der Schiffe durch die Geschäfte oder über die Märkte gehst! Selbst Sevillas Alcaicería wird dir danach ärmlich erscheinen. Und wenn du dann auch noch siehst, mit welcher Pracht sich die Menschen hier kleiden, was für aufwändige Kutschen sie fahren und in was für phantastischen Palästen sie leben, wirst du aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen.«
Catalina konnte es kaum noch erwarten, alles mit eigenen Augen zu sehen. »Und wann können wir von Bord gehen?«
»Von Bord?«, grollte der Erste Offizier. »Niemand geht hier von Bord. Und die niederen Matrosen schon gleich zweimal nicht!«
Catalina und Tao Te Chen fuhren herum.
»Da braucht ihr gar nicht so zu glotzen!«, polterte er weiter. »Das letzte Mal sind in diesem beschissenen Hafen dreißig Matrosen nicht von ihrem Landurlaub zurückgekommen, und diesmal geht mir kein Einziger von euch durch die Lappen.«
Fassungslos starrte Catalina den Ersten Offizier an. Nicht von Bord gehen … Aber sie hatte doch aus keinem anderen Grund angeheuert, als um von hier aus nach Peru weiterreisen zu können! Der Erste Offizier wandte sich ab. Catalina wollte ihm hinterherlaufen, doch Tao Te Chen hielt sie zurück.
»Lass es gut sein«, beschwor er sie mit leiser Stimme. »So machst du alles nur noch schlimmer. Komm, gehen wir in die Kombüse und reden.«
Catalina ging voraus. Im Unterdeck wankte sie auf einmal, wie sie in diesen Wochen in keinem Unwetter und bei keiner Gefahr gewankt hatte.
Tao Te Chen fasste sie um die Taille und führte sie weiter. In der Kombüse legte Catalina den Kopf gegen Tao Te Chens Brust und weinte.
»Meine arme Kleine!« Tao Te Chen beugte den Kopf, bis seine Lippen ihr Haar berührten. Es zu küssen, wagte er nur in seinen Gedanken.
»Mein Gott, ich habe das alles hier doch nicht auf mich genommen, um jetzt wieder zurück nach Sevilla zu fahren«, schluchzte Catalina. Erschrocken hielt Tao Te Chen ihr erneut den Mund zu. »Leise, so sei doch leise! Man weiß doch nie, wer da draußen rumlungert. Wir werden schon eine Lösung finden, aber nur, wenn du jetzt leise bist.«
Catalina nickte und schluckte ihre weiteren Tränen herunter. Tao Te Chen sann über verschiedene Fluchtmöglichkeiten nach, verwarf sie aber wieder, weil sie ihm zu gefährlich erschienen.
»Und wenn ich einfach über Bord springe?«, meinte Catalina schließlich.
»Du glaubst doch nicht, dass der Erste Offizier ein solches Verbot ausspricht, ohne zugleich Vorkehrungen zu treffen? Mindestens sechs Mann wird er Wache schieben lassen, und glaub bloß nicht, die hätten Skrupel, scharf zu schießen!«
Als der Erste Offizier später die Matrosen zusammenrief und ihnen mitteilte, dass niemand von ihnen Landurlaub bekommen würde, murrten und schimpften die Männer, doch kaum hatten die Ersten in ihrer Wut einen Schritt auf den Ersten Offizier zu gemacht, hoben Antonio und die anderen wachhabenden Matrosen mit entschlossenem Blick die Musketen. Murrend wichen die Männer zurück.
»Über zwei Monate haben wir keinen Frauenhintern in den Händen gehalten!«, schimpfte ein kahlköpfiger Andalusier, und der Katalane neben ihm presste ein unheilvoll klingendes »Das werden wir ja noch sehen, ob ich hier eine
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