Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
beißfreudigen Kiefern. In der Regel setzen sie die Biester nur ein, wenn ihnen ein versklavter Indio entwischt ist, aber meinen Kopf würde ich nicht darauf verwetten, dass sie dich nicht auf die gleiche Art suchen.«
Mikel erhob sich und verstaute seine Habseligkeiten in den Gepäcktaschen der Maultiere.
»Deine Decke und deine Tasche kannst du auch draufpacken.«
Die Decke packte Catalina gern zu seinen Sachen, die Tasche aber trug sie lieber selbst.
Dank Mikels guten Landeskenntnissen konnten sie sich ohne Führer auf den Weg Richtung Süden machen. Mikel wollte nach Callao und von dort zur See fahren oder doch wieder einen Handel anfangen, so genau wusste er es noch nicht.
»Man sollte nicht immer so viel planen«, erklärte er Catalina. »Die besten Dinge im Leben ergeben sich sowieso von allein.« Auch für Catalina werde sich dort sicher eine Arbeit finden. Fürs Erste genügte Catalina vollkommen, dass Mikel nicht vorhatte, sie wieder an einen Freund abzuschieben, und sie stapfte ihm frohgemut über felsige Hügel, schwankende Hängebrücken und Wiesen hinterher, auf denen das Gestrüpp so hoch stand, dass es ihnen an manchen Stellen bis über die Köpfe reichte.
Sie genoss die Tage mit Mikel, vor allem das abendliche Zusammensitzen am Lagerfeuer. Mit glänzenden Augen hörte sie ihm zu, wenn er ihr von seinen Abenteuern erzählte: wie er im Amazonasgebiet mit seinem Boot gekentert und beinahe den Krokodilen zum Opfer gefallen war, wie er sich in den Bergen mit bloßen Händen gegen einen Puma verteidigen musste und wie er in Túmbez von einer Verbrecherbande ausgeraubt worden war. Gleich am ersten Tag lernte sie von Mikel, wie man ein Lagerfeuer ohne Feuerstein anfachte, und in den nächsten, welche Pflanzen essbar und welche giftig waren oder wie man seinen Weg allein mithilfe des Sonnenstands und der Sterne fand. Er schenkte ihr eine Steinschleuder, wie die Indios sie benutzten, um Vögel und andere Kleintiere zu erlegen. Sie bestand aus einer knapp zwei Meter langen, geflochtenen Wollschnur und hatte in ihrer Mitte eine Verbreiterung.
»In diese Verbreiterung legst du einen Stein«, erklärte er Catalina. »Anschließend nimmst du die beiden Enden der Schnur und lässt sie über deinen Kopf kreisen. Die große Kunst besteht darin, ein Gefühl dafür zu bekommen, wann der richtige Moment zum Loslassen ist. Wenn du das erst einmal herausgefunden hast, kannst du ein Ziel noch in über hundert Meter Entfernung treffen – und ganz lautlos dazu.«
Mikel stellte sich hinter sie, um ihr dabei zu helfen, den richtigen Schwung zu finden, und kam ihr dabei so nah, dass sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte. Noch Tage später überlief Catalina ein wohliger Schauer, wenn sie an diesen Moment zurückdachte …
Drei Wochen waren inzwischen vergangen, und Catalina und Mikel waren noch immer viele Tagesreisen von Callao entfernt. An diesem Tag war es Catalina zum ersten Mal gelungen, mit der Steinschleuder ein paar Vögel zu erlegen. Mikel lachte sie aus, weil sie so winzig waren. Catalina grillte sie trotzdem, und ihr Reisegefährte musste zugeben, dass sie hervorragend schmeckten.
»Klein, aber oho«, lobte er und nahm sich das nächste Bratvögelchen, um es genüsslich abzuknabbern.
Wieder einmal redeten sie über Georges. Mikel erzählte Catalina, wie viel er von ihm gelernt hatte, und brachte sie zum Lachen, als er ihr berichtete, wie Georges ihm einmal den Hintern versohlt hatte, weil er auf dem Markt eine Salami stibitzt hatte.
»Dabei hatte ich sie vor allem für ihn geklaut! Es waren harte Zeiten damals, und oft hatten wir tagelang nichts als trockenes Brot zu essen. Da wollte ich ihm eine Freude machen. Aber als ich ihm die Wurst hinhielt, verdunkelte sich seine Miene, da ihm sofort klar war, wo ich sie herhatte, und dann verdrosch er mir den Hintern, dass mir Hören und Sehen verging. Es war das erste und einzige Mal, dass er mir eine Abreibung verpasste. Mein Diebstahl hatte ihn in seinem Stolz getroffen. Er könne mich ernähren, mich und sich, schimpfte er, und so tief, dass er anderen ihr Essen stehlen müsse, werde er nie sinken. Um meine Strafe komplett zu machen, ließ er mich volle drei Tage ohne Essen. Das sei Hunger, erklärte er mir, und dass ich ja nie wieder etwas stehlen solle.«
»Aber später hast du es doch wieder getan«, grinste Catalina.
»Aber nur, weil ich Hunger hatte. Echten Hunger!« Mikel stocherte mit einem Stock im Lagerfeuer, um die Glut noch einmal anzufachen.
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