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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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jünger.
    Richard schob sich an Rüsch vorbei. »Zum Apotheker Erasmus. Er erwartet uns.«
    »Ah, zu dem wollt ihr also. Seht gar nicht so aus.« Die Soldaten grinsten, ich verstand nicht, wieso.
    »Ja, zu dem.« Auch Richard war offenbar irritiert. »Und wir wären schon fast da, wenn ihr eure Pflicht nicht so hervorragend erfüllen würdet. Es würde mich freuen, dürfte ich mich dafür erkenntlich zeigen.«
    Der Soldat, der offenbar der Wortführer der vier war, legte einen Eisenhandschuh auf den Griff seines Schwerts, den anderen streckte er aus. »Großzügigkeit ist eine Tugend.«
    Richard griff sich nicht an den Gürtel, hinter dem er seinen Geldbeutel versteckt hatte, sondern in die Tasche seiner Weste. »Das ist sie in der Tat«, sagte er, während er ein paar Münzen abzählte und dann, so als würde ihm der Gedanke verspätet kommen, alle auf die eiserne Handfläche seines Gegenübers legte.
    Der Soldat schloss die Finger darum. »Das …«
    »He!«
    Erschrocken fuhr ich herum. Hinter uns war ein zweiter Trupp Soldaten aufgetaucht. Sie trugen blaue Schärpen, und ihre Rüstungen hatten schon bessere Tage gesehen. Sie waren zu siebt.
    »Was soll das? Die Gasse gehört den Cleingedanks.«
    Der Anführer der Gelbschärpen trat vor. »Und der Domplatz den Gyrs, also verschwindet.«
    Richard schlich an ihm und seinen Soldaten vorbei und winkte uns, es ihm gleichzutun.
    »Die Einzigen, die hier verschwinden sollten, seid ihr!«, hörte ich den Anführer der Blauschärpen zurückschnauzen. »Wir haben genug von diesem Mist!«
    Die Soldaten beachteten uns nicht mehr. Wir folgten Richard, wobei wir versuchten, sie nicht auf uns aufmerksam zu machen. Hinter uns ging der Streit weiter, wurde mit jedem Satz lauter. Anscheinend teilten die Familien die Stadt gerade untereinander auf, vielleicht taten dies auch nur ihre führungslosen Armeen.
    »Wartet einen Moment!« Richard blieb stehen, zog seinen Geldbeutel, zählte ein paar Münzen ab und steckte diese dann in seine Weste. »Falls uns das gleiche Theater auf der anderen Seite des Platzes noch einmal bevorsteht.«
    »Es bricht alles auseinander«, sagte Jacob leise. Der Gedanke schien ihm Angst zu machen. »Und wir haben den Höhepunkt noch nicht erreicht.«
    Ich wollte ihm antworten, doch dann lenkte mich etwas ab. »Pssst«, sagte ich. »Hört ihr das?«
    Die anderen blieben stehen und legten die Köpfe schräg. »Musik?«, fragte Richard nach einem Moment.
    Ich nickte. Sie wehte von der anderen Seite des Platzes herüber, die noch vom Dom verdeckt wurde. Als wir uns weiter näherten, mischte sich Gelächter darunter, hysterisch, falsch, gezwungen.
    Die Türen eines Patrizierhauses waren weit geöffnet. Männer und Frauen tanzten auf dem Platz, tranken, lachten und berührten einander auf eine Art und Weise, die mich wegsehen ließ. Manche von ihnen trugen Kleidung, die seltsam weiß und steif aussah. Erst, als ich genauer hinsah, begriff ich, dass man die Kleidungsstücke in Wachs getaucht hatte.
    Andere schienen all den Schmuck angelegt zu haben, den sie besaßen, wieder andere trugen bestickte Totenhemden und Seuchenmasken, die wie Totenköpfe bemalt waren. Die Diener, die sich zwischen dieser bizarren Menge bewegten und Weinfässer auf Handkarren schoben, trugen eng anliegende schwarze Kleidung, auf die man weiße Striche gemalt hatte, damit sie wie wandelnde Skelette aussahen.
    Über einer Feuerstelle drehte sich ein Schwein an einem Spieß. Musikanten standen hinter einem der Fenster im Erdgeschoss des Hauses, spielten wild fröhliche Lieder, deren Strophen ich nicht kannte. Die Feiernden grölten sie laut und betrunken mit.
    Es gab keinen Weg daran vorbei, es waren zu viele, also gingen wir zwischen ihnen hindurch. Ich stieg über ein Pärchen, das sich am Boden wälzte, ein grauhaariger, vornehm gekleideter Mann und eine weitaus jüngere Frau, deren Kleid zerrissen war. Stöhnend ließ sie sich von ihm die Brüste kneten. Sie trugen beide Seuchenmasken, und wenn sie sich bewegten, schlugen die Schnäbel gegeneinander wie Schwerter.
    Eine Hand krallte sich plötzlich in mein Haar. »Komm, Mädchen! Tanzen und küssen!«
    Ich fuhr herum und schlug nach dem Arm des Mannes. Er trug die schwere Goldkette eines Ratsmitglieds vor der Brust, sein Hemd aus blauem Samt war bis zum Hosenbund geöffnet, sein rundes Gesicht gerötet, und Schweiß lief ihm in die Augen und ließ ihn blinzeln.
    Er zog die Hand zurück, ohne dass er meinen Schlag wirklich zu spüren

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