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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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schien, dafür war er zu betrunken. »Tanzen und küssen«, wiederholte er undeutlich. »Bevor alles vorbei ist.«
    Rüsch drängte sich vor mich, aber ich hielt seine Hand fest, als er sie hob, um den Ratsherrn zu schlagen.
    »Lass ihn!«, sagte ich. »Er meint es nicht böse.«
    Der Mann blieb schwankend stehen, als wir weitergingen. Als ich ihm noch einmal einen Blick über die Schulter zuwarf, sah ich, dass er weinte.
    »Huren!«, schrie jemand über die Musik hinweg. »Bringt mehr Huren!« Die Verzweiflung, die in seiner Stimme schwang, spiegelte sich auch in den Gesichtern wider, in die ich blickte.
    Jacob berührte mich am Arm. »Da ist Erasmus!«
    Ich sah ihn im gleichen Moment.
    Mit einem Weinkrug in der Hand und einer barbusigen Frau im Arm, die aussah wie eine Schankmaid, wankte er uns entgegen. Jacob drehte den Kopf zur Seite, aber es war zu spät, er hatte ihn schon erkannt.
    »Jacob!«, rief er. »Du gottverdammter Verräter, elender Lump! Wieso hat dich die Seuche noch nicht geholt?«
    Die Frau lachte laut, obwohl sie nicht wissen konnte, wovon er sprach. Hinter den beiden tauchte Erasmus’ Diener Lorenz auf. Als Einziger unter den Dutzenden Feiernder wirkte er nüchtern.
    Erasmus blieb vor uns stehen. Sein Blick war glasig, die Maske, die er anderen so nachdrücklich zu tragen empfahl, hing vergessen an seinem Gürtel. Er hatte seine Kleidung in Wachs getaucht, so wie viele, die ich sah. Bei jeder Bewegung blätterte etwas davon ab.
    Richard und Rüsch hielten sich zurück, als er vor uns stehen blieb, aber beide achteten auf den Diener, erkannten genau, dass er derjenige war, der uns wirklich gefährlich werden konnte.
    »Wo, zur Hölle, warst du?«, fragte Erasmus.
    Jacob drückte den Rücken durch und sah von oben auf den Apotheker herab. »In Maastricht bei dem persischen Arzt Abdullah. Er wird mich in die Lehre nehmen.«
    »Ich rede nicht mit dir. Du hast dein Recht auf Ansprache verwirkt, Nichtsnutz!« Erasmus’ Blick traf den meinen. Er konnte ihn kaum halten, so betrunken war er. »Ich habe dich was gefragt, Weib. Wieso hast du mich im Stich gelassen? Mich?« Er trank, rülpste laut und fügte hinzu: »Nach all der Zeit?«
    Ich wusste nicht, wovon er redete. Hilfe suchend sah ich Jacob an, aber der zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Ein Vermögen hätten wir machen können, ein gottverdammtes Vermögen.« Er starrte einen Moment vor sich hin. Die Frau an seiner Seite küsste ihn auf die Wange.
    »Komm«, sagte sie. »Ich will tanzen.«
    Erasmus ließ sich ein paar Schritte mitziehen, drehte sich dann aber noch einmal schwankend um. Dass er einen Arm um die Schultern der Frau gelegt hatte, verhinderte, dass er hinfiel.
    »Die Leute rennen mir weg«, stieß er hervor. »Zu irgendeinem Schar… Scharlatan. Allein tauge ich zu nichts, Magda. Komm zurück.«
    Magda?
    Ich wollte ihm folgen, aber der Diener war bereits bei ihm und nahm seinen anderen Arm. Jacob und Richard drängten mich weg von ihm und auf eine Gasse zu.
    Ich wehrte mich vergebens. »Er kannte meine Mutter!«
    »Und er ist so betrunken, dass er dich offensichtlich mit ihr verwechselt«, sagte Richard. »Er wäre nicht in der Lage, dir deine Fragen zu beantworten, selbst wenn sein Diener dich zu ihm ließe.«
    »Sprich mit ihm ein anderes Mal«, riet mir auch Jacob. »Wir haben etwas zu erledigen.«
    Sie hatten recht, das wusste ich. Dennoch dachte ich an nichts anderes als an Erasmus’ Worte, während wir weiter zum Kloster gingen.
    »Er muss Mutter für ihre Kräuter bezahlt haben«, sagte ich. »Daher kam das Geld, von dem wir lebten, nicht von Wilbolt.«
    Ich erinnerte mich an die langen Ausflüge, die sie unternommen hatte, mit einem Sack voller Kräuter auf dem Rücken. Stets war sie erschöpft und hungrig heimgekehrt. Sie musste nach Coellen gegangen sein, zu Erasmus.
    »Und du hast sie in deiner Zeit bei Erasmus nie gesehen?«, fragte ich Jacob.
    Jacob schüttelte den Kopf. »Ich wusste, dass ihm jemand Zutaten brachte, aber weder, wer es war, noch, um was es ging. Seine Aufzeichnungen durfte ich mir nie ansehen, und er sagte mir auch nicht, was in seinen Arzneien war.«
    »Weil er es nicht wusste.« Richard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Jedenfalls hätte ich es so anstelle deiner Mutter gemacht. Sie hat die Tinkturen und Salben und was weiß ich für ihn angerührt und hergestellt, aber ihm nie verraten, woraus sie bestanden, was das für Kräuter sind und wie man sie zubereiten muss, damit sie wirken. So

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