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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Ich raffte meinen Umhang und lief in die Gasse, rutschte dabei immer wieder auf dem Eis aus und stürzte beinahe einige Male. Ich wollte nur weg von diesem Haus, von dem alten Mann und seinem böse funkelnden Auge, von der Verachtung in seiner Stimme.
    Seine Worte hallten in meinem Kopf wider, jedes von ihnen schmerzhaft wie ein Peitschenschlag. Was von Wallnen gesagt hatte, konnte nicht stimmen. Der Bürgermeister hatte uns Geld gegeben, wo sonst hätte es herkommen sollen?
    Tochter einer Hure!
    Ich schüttelte den Kopf, verdrängte den Gedanken mit all der Kraft, die mir noch geblieben war. Am liebsten hätte ich mich in den Schnee gelegt, hätte mich tief in ihn hineingegraben, bis mich niemand mehr finden konnte und die Welt verschwand. Ich war müder als je zuvor in meinem Leben.
    Irgendwann blieb ich stehen. Ohne es zu merken, war ich bis zu dem Marktplatz vor dem Dom gelaufen. Ich sah hinauf zu den großen, bunten Kirchenfenstern, zu den steinernen Dämonen, die über ihnen hockten und deren höhnische Fratzen mich anstarrten, und zu dem Kreuz, das über allem thronte und dessen Schatten quer über den Platz fiel. Ich sah hinauf und wartete auf Trost.
    Nach einer Weile begann die Kälte durch meine Kleidung zu kriechen, und ich ging weiter.
    Der Marktplatz war voller Menschen, die sich um Stände und Auslagen drängten. Die Tage waren kurz im Winter, die Zeit knapp.
    Meine Zeit ist knapp bemessen , hörte ich bei diesem Gedanken wieder die Stimme des alten Mannes in meinem Kopf. Ich versuchte an etwas anderes zu denken, und ein Teil von mir begann sich vorsichtig zu fragen, was ich nun tun sollte. Ins Dorf zurück konnte ich nicht, und in der Stadt waren mir nur die Bauern, die mich auf ihren Ochsenkarren mitgenommen und hergebracht hatten, wohlgesonnen. Ich sah mich mit ihnen zurückfahren, in ein Dorf, so arm und trostlos wie das, aus dem ich verstoßen worden war, und schüttelte mich innerlich. Niemals würde ich die Wünsche meiner Mutter derart verraten, auch wenn sie vielleicht – ich wollte das immer noch nicht glauben – nur wirre Träume gewesen waren.
    »Ketlin?«
    Überrascht blieb ich stehen und drehte mich zu demjenigen um, der meinen Namen gerufen hatte. Neben einem Stand mit Hasenfellen und Tinkturen stand der Soldat, der mich aus dem Haus des Bürgermeisters geworfen hatte. Er musste die Angst in meinem Blick sehen, denn er hob beschwichtigend die Hände und ging so langsam auf mich zu, als wäre ich ein verängstigtes Tier.
    »Mein Herr schickt mich«, sagte er, als er vor mir stehen blieb.
    »Welcher?« Es war eine unverschämte Frage, aber es schien ihn nicht zu stören.
    »Mein oberster Herr. Er bittet dich, dass du morgen bei Sonnenaufgang zum Zisterzienserkloster nahe des Westtors gehst und dort nach Schwester Maria fragst. Sie wird dir helfen.«
    Mein Herz schlug wieder schneller. »Hat er sonst noch etwas gesagt?«
    Der Soldat schüttelte den Kopf und wandte sich ab. »Geh dorthin und belästige meinen Herrn nie wieder.«

Kapitel 8
    Ich kam in einem Gasthaus weit entfernt vom Dom und den Häusern der Wohlhabenden unter. Dort, am Rand der Stadt, nicht weit entfernt von der Mauer und dem stinkenden Gerberviertel, konnte ich mir zumindest eine Unterkunft für eine Nacht leisten. Es war ungewöhnlich, dass ein Mädchen wie ich von keinem männlichen Verwandten begleitet wurde, und der Wirt musterte mich eine ganze Weile, bevor er den Viertelpfennig von der Theke nahm und in seinen Gürtel steckte.
    »Du wirst mir doch hier keinen Ärger machen, oder?«, fragte er.
    Ich senkte bestürzt den Blick. »Nein«, antwortete ich rasch. »Mein Onkel, der mich nach Coellen bringen wollte, ist unterwegs verstorben.« Ich redete so schnell, dass ich glaubte, jeder könnte die Lüge aus meinen Worten heraushören. »Deshalb …«
    Zwei Männer, die neben mir an der Theke standen, sahen von ihrem warmen Bier auf, und der eine fiel mir erschrocken ins Wort: »Doch nicht an der Seuche?«
    Er hatte eine rote, aufgequollene Trinkernase und blutunterlaufene Augen. Der andere hätte sein Bruder sein können.
    »Nein. Er … Er fiel in einen Graben und starb ein paar Tage später an seiner Verletzung.«
    Alle, die mich hörten, bekreuzigten sich, auch die beiden Kerle am Tresen.
    »Und was machst du jetzt ganz allein in der Stadt?«, fragte derjenige, der mich gerade so erschrocken angesprochen hatte. »Ich hätte da noch ein weiches …«
    Ein Stoß in die Seite brachte ihn zum Schweigen. »Lass das

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