Die Nonne und der Tod
gemalt. Ein hölzernes hing über der Strohmatratze.
»Gut. Du wirst es öfter wechseln als dein Habit. Wir schlafen stets vollständig angezogen. Niemand in unserem Orden zeigt sich je unsittlich, weder vor den Augen anderer noch vor den eigenen und schon gar nicht vor denen des Herrn. Du wirst bald eine Braut Christi sein. Der Herr betrachtet dich mit besonders strengem Blick. Vergiss das nie.« Sie wandte sich ab, sah dann jedoch ein letztes Mal zurück. »Und wir schlafen immer mit den Händen über der Bettdecke. Immer.«
»Ja, Schwester.« Die Regel erschien mir seltsam, aber ich fragte nicht nach.
»Gute Nacht.« Schwester Johannita schlug die Tür hinter sich zu. Ihre Schritte hallten den Gang entlang, das Licht der Kerze, das durch das kleine Fenster ins Innere der Zelle fiel, wurde schwächer und verschwand. Zurück blieb Dunkelheit.
Kleider raschelten neben mir, Stroh knisterte. Ich stellte mir vor, wie sich die beiden Mädchen wieder hinlegten. Sehen konnte ich sie nicht.
»Wie lange seid ihr schon hier?«, fragte ich leise.
»Wir dürfen während der Nacht nicht reden«, flüsterte eine Stimme jenseits des Vorhangs. Ich nahm an, dass sie Alfonsa gehörte, weil sie die mittlere Schlafstätte belegte. »Die Nacht ist zum Schlafen da.«
»Ihr redet nicht während des Essens und nicht in euren Zellen? Dürfen wir uns denn nie unterhalten?«
»Wir dienen dem Herrn in völliger Hingabe. Wir haben nicht das Bedürfnis zu tratschen wie die Waschweiber.« Die Stimme schwieg einen Moment lang. »Oder wie die Bastarde von Waschweibern.«
Eine zweite Stimme prustete, zuerst laut, dann gedämpft. Wahrscheinlich hielt sich Klara ihre Decke vor den Mund.
Ich presste die Lippen aufeinander, mein Mund wurde trocken. »Ihr kennt mich nicht«, sagte ich so ruhig ich konnte. »Ihr wisst nichts von mir.«
Die eine Stimme kicherte gedämpft weiter, die andere schwieg.
Ich zog meine Stiefel aus, dann kroch ich unter die ausgefranste Decke meines Strohlagers. Bis zu den Schultern zog ich sie hoch, wohl wissend, dass ich damit Schwester Johannitas Anordnung missachtete.
Es war mir egal.
Kapitel 10
Ich fuhr hoch, als ich das laute Knarren der Zellentür hörte. Monotoner, aus zahlreichen Kehlen angestimmter Gesang hallte durch den Gang. Schwester Johannitas Schatten fiel lang in die Zelle. Die Nonne sagte kein Wort, ließ nur das Licht ihrer Kerze über unsere Schlafstätten gleiten. Ich legte rasch die Hände auf die Decke, war mir aber nicht sicher, ob ich schnell genug gewesen war.
Durch den dünnen, hellen Vorhang sah ich, wie sich die Silhouette von Schwester Alfonsa erhob und nach ihrer Tracht griff.
»Es ist zwei Uhr«, sagte Schwester Johannita, und ihre Worte waren an mich gerichtet. »Zeit für das erste Gebet. Du wirst dich im hinteren Teil der Kirche aufhalten, in dich gehen und darüber nachdenken, ob diese Berufung auch wirklich die deine ist.« Trotz des schlechten Lichts sah ich, wie sie den Blick auf meine Hände richtete.
»Ja, Schwester.« Ich stand auf und zog meine Stiefel an. So wenig Zeit war seit dem Einschlafen vergangen, dass es mich nicht gewundert hätte, wären sie noch warm gewesen.
Draußen auf dem Gang schritt eine Prozession von Nonnen vorbei. Keine hatte wie Schwester Johannita ein Licht dabei. Sie kannten den Weg so gut, dass sie ihn auch in der Dunkelheit fanden.
Schwester Johannita blieb stehen und wartete, bis wir uns angezogen hatten. Ob sie uns mit ihrer Kerze aushelfen oder uns kontrollieren wollte, wusste ich nicht.
Klara und Alfonsa verließen ihre Schlafstätten, die Hauben eng um den Kopf gelegt, die Hände zum Gebet gefaltet. Wortlos und ohne mir einen Blick zuzuwerfen, schlossen sie sich der Prozession draußen an. Ich wollte ihnen folgen, aber Schwester Johannita versperrte mir den Weg. Im Kerzenlicht wirkten ihre Augen schwarz.
»Mach das nie wieder«, sagte sie leise.
Ich tat nicht so, als wisse ich nicht, wovon sie sprach. »Ja, Schwester.«
»Und du wirst es dem Beichtvater sagen, wenn er am Sonntag zu uns kommt.«
»Ja, Schwester.«
Sie nickte, trat zur Seite und ließ mich durch. Ich kannte die Hymne nicht, die von den Nonnen gesungen wurde, also legte ich nur stumm die Hände zusammen und schloss mich ihnen an.
Durch ein Labyrinth aus Gängen und Treppen gingen wir zur Kapelle. Die Perlen der hölzernen Rosenkränze, die die Nonnen am Gürtel trugen, schlugen bei jedem Schritt gegeneinander und bestimmten den Rhythmus unserer Bewegungen.
In der
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