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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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eine neue Aussaat umgruben, doch die meisten arbeiteten noch im Inneren des Klosters, denn in den Gärten war so früh im Jahr wenig zu tun.
    »Sie sind nicht zu viel zu gebrauchen«, sagte Schwester Agnes. »Selbst beim Unkrautzupfen muss ich darauf aufpassen, dass sie nicht die Pflanzen mit rausziehen.«
    Ich lachte, doch dann merkte ich, dass sie es ernst meinte. »Du kannst sie doch sicher anlernen.«
    »Die einfachen Dinge bringe ich ihnen bei, doch für manches andere …«, sie sah mich an, »… benötigt man ein Können, das muss einem der Herr gegeben haben.«
    Wir gingen weiter an der Mauer entlang und überquerten einen Bach. Ich sah eine kleine Pforte zwischen Efeuranken und bemerkte, wie Agnes die Hand in ihren Gürtel steckte und einen großen eisernen Schlüssel hervorzog.
    »Eigentlich müsste ich jedes Mal die ehrenwerte Mutter um Erlaubnis fragen, wenn ich das Kloster verlasse, aber sie vertraut mir, dass ich nur durch diese Pforte gehe, wenn es notwendig ist. Wir sind als Kinder zusammen hierhergekommen, sie, die Tochter eines Grafen, und ich, die Tochter seines Stallmeisters. So etwas verbindet selbst nach all den Jahren.«
    Ich sah mich unsicher um, als sie den Schlüssel in das Schloss steckte. Es knirschte, dann zog sie den Riegel zurück und öffnete die Pforte.
    »Bist du sicher, dass ich das darf? Die ehrwürdige Mutter hat mir nur erlaubt, in den Gärten zu arbeiten.«
    Agnes winkte ab. »Sie hat dir erlaubt, für mich zu arbeiten.«
    Sie trat hinaus in die Gasse jenseits der Pforte.
    Die Geräusche der Stadt erschienen mir auf einmal lauter als vor meinem Eintritt ins Kloster, dabei war niemand draußen zu sehen. Ich folgte Agnes zögerlich, erwartete jeden Moment Schwester Johannitas schneidende Stimme zu hören, die mich zurückrief, doch nichts geschah.
    Also schloss ich die Pforte hinter mir.
    Die Gasse führte uns an einstöckigen Häusern und kleinen Gärten vorbei. »Die Häuser gehören der Kirche«, sagte Agnes. »Die Leute, die hier leben, haben sie zusammen mit einigen Feldern vor der Stadtmauer gepachtet. Mutter Immaculata versucht schon lange auf den Bischof dahingehend einzuwirken, dass er uns an den Einnahmen beteiligt, aber er weigert sich. Wir sind nur ein kleines Kloster, und keine der Nonnen gehört zu den wichtigen Familien Coellens. Daher kümmert er sich lieber um andere.«
    Ich gehöre einer wichtigen Familie an, dachte ich, ohne es auszusprechen. Vielleicht würde mein Vater …
    Ich verscheuchte den Gedanken. Die Welt, die meine Mutter für mich gezeichnet hatte, existierte nicht. Ich war ein Bastard, nicht die hochwohlgeborene Tochter des Bürgermeisters.
    Hinter den Dächern der Häuser sah ich Wachtürme und Mauerkronen. Mir war nicht klar gewesen, dass das Kloster so dicht an der Stadtmauer lag.
    »Das ist das kleinste der zwölf Stadttore«, sagte Schwester Agnes. »Es führt nur auf die Felder hinaus und in den Wald.«
    Das Tor stand offen, Soldaten lehnten an der Mauer und unterhielten sich, ohne uns zu beachten. Über den Graben führte ein breiter hölzerner Steg, von dem unsere Schritte dumpf widerhallten.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich, als wir die Stadt hinter uns ließen. Es war ein seltsames Gefühl, nach fast zwei Monaten zum ersten Mal wieder eine Landschaft ohne Mauern zu sehen. Ich ließ meinen Blick über die Bäume und Felder gleiten bis hin zum Horizont.
    »Nur bis zum Wald.« Schwester Agnes blieb stehen, stemmte die Hände in den Rücken und verzog das Gesicht. Ich sah, dass sie Schmerzen hatte.
    »Geht’s dir nicht gut?«, fragte ich.
    »Es geht mir so gut oder schlecht wie immer.« Wir gingen weiter, langsamer als zuvor. »Wer ein Leben lang den Rücken krumm macht, muss im Alter dafür bezahlen. So ist das nun mal im Leben.«
    Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht nur einen körperlichen Preis damit meinte.
    Hinter dem ersten Feld bogen wir nach rechts ab in einen schmalen Weg, gerade mal einen Karren breit, der in den Wald führte.
    »Der Wald gehört ebenfalls der Kirche«, sagte Agnes, »sonst hätte man ihn wohl schon längst abgeholzt. Der Erzbischof geht dort gern auf die Jagd, und ich hoffe, dass das noch lange so bleibt.«
    Es war kühl zwischen den Bäumen. An einigen geschützten Stellen lag noch Schnee, doch meistens gingen wir durch nasses altes Laub.
    »Suchst du hier nach Kräutern?«, fragte ich. Es war die einzige Erklärung, die mir für diesen Ausflug in den Sinn kam.
    Agnes nickte. »Seit vielen Jahren schon. Nicht

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