Die Normannen
Grenzfestung Manzikert (heute Malazgirt, nördlich des Van-Sees) eine vernichtende Niederlage gegen die türkischen Seldschuken, bei der Kaiser Romanos IV. Diogenes in Gefangenschaft geriet. Nun stand diesen Reiternomaden der Weg nach Anatolien offen. Das Byzantinische Reich machte in den folgenden Jahren eine schwere innenpolitische und finanzielle Krise durch. Denn mit dem Verlust großer Teile Anatoliens büßte der byzantinische Kaiser nicht nur Steuereinnahmen ein, sondern auch ein wichtiges Rekrutierungsreservoir für seine Armee, so dass er immer stärker auf Söldner angewiesen war (s. Kap. III.2). Gleichzeitig verlagerte sich der wirtschaftliche Schwerpunkt des Byzantinischen Reichs in die Balkanprovinzen, während Italien sich selbst überlassen blieb.
In dieser schwierigen Situation bot Michael VII. Dukas (1071–78), der nach der Gefangennahme Romanos’ IV. zum byzantinischen Kaiser proklamiert worden war, dem normannischen Herzog ein Heiratsbündnis an. Robert Guiscard akzeptierte das Angebot erst im Jahr 1074, nachdem sich die Stellung Michaels VII. konsolidiert hatte. Nun wurde Roberts Tochter Olympias, die nach ihrer Ankunft in Byzanz (1076) den Namen Helena annahm, mit Konstantin, dem noch in den Windeln liegenden Sohn des Kaisers, verlobt. Damit hatte der Normanne eine familiäre Verbindung mit dem byzantinischen Kaiserhaus angeknüpft, die sein Ansehen weiter steigerte.
Konflikte mit dem Papsttum und Byzanz Die normannisch-päpstliche Allianz funktionierte anfangs recht problemlos. Im Jahr 1061 half Richard von Capua Papst Alexander II. (gest. 1073), sich gegen die mächtigen römischen Adelsfamilien durchzusetzen, die den unter dem Druck des deutschen Königshofs gewählten Gegenpapst Honorius II. (Bischof Cadalus von Parma) unterstützten. Das Verhältnis zwischen Alexander II., der die Autorität der römischen Kirche in Süditalien ausdehnte, und den Normannen wurde jedoch belastet durch das normannische Ausgreifen in die römische Campagna und die Abruzzen, also in Gebiete, die in unmittelbarer Nähe des päpstlichen Herrschaftsbereichs lagen, des
Patrimonium Sancti Petri
(Erbgut des heiligen Petrus) genannten späteren Kirchenstaats.
Als auf den kompromissbereiten Alexander II. der unnachgiebige Gregor VII. (1073–85) folgte, kam es zum offenen Konflikt. Der neue Papst begab sich im Sommer 1073 nach Benevent. Hier unterstellte Fürst Landulf VI. sich ihm als Vasall. Einige Wochen später schwor ihm in Capua auch Fürst Richard die Treue. Richards Beziehungen zu Robert Guiscard hatten sich in letzter Zeit verschlechtert, da er sich nicht nur geweigert hatte, am normannischen Angriff auf Palermo teilzunehmen, sondern auch eine Revolte gegen Robert in Kalabrien unterstützt hatte. Gregor VII. machte hingegen Robert Guiscard für normannische Übergriffe auf Kirchenbesitz verantwortlich und exkommunizierte ihn auf einer Synode im März 1074. Außerdem versuchte er, norditalienische und französische Fürsten zum Eingreifen in Süditalien zu bewegen.
Damit hatte der Papst allerdings ebenso wenig Erfolg wie mit seinem Plan, an der Spitze eines abendländischen Ritterheers ins Heilige Land zu ziehen. Auch seine in den folgenden Jahren mehrfach wiederholten Exkommunikationen Robert Guiscards blieben ohne Wirkung, zumal Gregor darauf verzichtete, ihm die Herzogswürde zu entziehen oder seine Gefolgsleute von ihrem Treueid zu entbinden. Vermutlich wollte der Papst es sich nicht vollständig mit dem Herzog verderben, nachdem sein Konflikt mit dem deutschen König Heinrich IV. (1056–1106) in extremer Weise eskaliert war und Robert Guiscard 1076das Angebot Heinrichs IV., sein Vasall zu werden, abgelehnt hatte.
Der junge deutsche König setzte trotz päpstlichen Verbots eigenmächtig Bischöfe ein und wagte es im Januar 1076 sogar, Gregor VII. unter anderem wegen unwürdiger Lebensführung für abgesetzt zu erklären. Daraufhin exkommunizierte der Papst den Herrscher, erkannte ihm sein Königtum ab und löste seine Untertanen vom Treueid. Durch diesen damals allgemein als unerhört empfundenen Akt erschütterte Gregor VII. die Grundlagen der auf persönlichen Treueverhältnissen beruhenden deutschen Königsherrschaft. Heinrich IV. blieb keine andere Wahl, als den Papst um Vergebung zu bitten, was er im Januar 1077 mit seinem berühmten Gang nach Canossa dann auch tat. Hier musste der Herrscher sich zwar vor dem Papst erniedrigen, erreichte aber die Aufhebung des Kirchenbanns und
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