Die Obamas
in seiner Nähe und hielten sich deshalb noch öfter als üblich in Washington auf. »Ich wollte einfach für ihn da sein, ihn unterstützen«, sagte Nesbitt.
Obamas Begründung, sich erneut zur Wahl zu stellen, klang denn auch überwiegend defensiv: Er müsse antreten, um das Land vor den Republikanern zu retten. Er brauche noch vier weitere Jahre, um seine Politik richtig zur Wirkung zu bringen. »Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr es dabei um die vergangenen vier Jahre geht«, sagte Robert Gibbs. Hinter der Gesundheitsreform stand nach wie vor ein großes Fragezeichen, sie drohte wegen unzureichender Finanzierung rückgängig gemacht oder vom Obersten Bundesgericht gestoppt zu werden (das die allgemeine Versicherungspflicht für verfassungswidrig erklären könnte); vielleicht würde sie aber auch einfach nicht so funktionieren wie beabsichtigt. Die Beiträge stiegen nach wie vor. Die Gesundheitsreform war Obamas wichtigstes Projekt, und noch wusste niemand, wie die Sache ausgehen würde. Doch selbst in seinen schwärzesten Momenten habe Obama den Ehrgeiz, für seine Wiederwahl zu kämpfen, berichten seine Berater.
Die Frage, auf die niemand eine Antwort wusste, war, ob Obama in der Lage sein würde, einen kompletten Neustart zu wagen, seine Fehlschläge zu akzeptieren und plausible Gründe für die eigene Wiederwahl zu präsentieren. Die ursprünglichen Voraussetzungen für seine Kandidatur – dass er Washington einen und einen durchgreifenden Wandel im ganzen Land herbeiführen könne – hatten unrettbar ihre Gültigkeit verloren. Doch der Barack Obama von 2011 war auch ein weitaus erfahrenerer Kandidat als der von 2008 . Würde er eine neue Zukunftsvision und neue Ziele für ein pessimistisches, ernüchtertes Land finden, oder würde er sich nicht mehr verständlich machen können, weil er von der Welt abgeschnitten und isoliert bleiben würde, gefangen in der Überzeugung, missverstanden zu werden? Da die republikanische Seite nach wie vor schwach war, entstand zuweilen der Eindruck, der Wahlkampf 2012 werde großenteils in Obamas Kopf entschieden.
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Michelle Obama war hin- und hergerissen – bald ignorierte sie die missliche Lage ihres Mannes, bald versuchte sie, ihm zu helfen. Die Staatsschuldenkrise bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen über den Kongress; sie konnte es nicht fassen, dass die Republikaner ihren Mann blockierten, während frühere Präsidenten beider Parteien die Schuldenobergrenze einfach heraufgesetzt hatten, ohne Ärger mit der Opposition zu bekommen.
In der Öffentlichkeit blieb sie bei ihrer Strategie, sich aus der Debatte in Washington herauszuhalten und zu versuchen, die schlechten Nachrichten aus dem Westflügel mit besseren eigenen Berichten und Bildern auszugleichen. Im Juni unternahm sie mit ihrer Mutter und den Töchtern eine offizielle Reise nach Südafrika und Botswana, traf sich mit einem gebrechlichen Nelson Mandela und hielt eine von Herzen kommende Rede über die Zusammenhänge zwischen der Apartheid und der afroamerikanischen Geschichte.
Die Reise sei keineswegs Teil einer umfassenden Strategie des Präsidenten gewesen, sagte ein Berater; die First Lady habe sich für dieses Reiseziel entschieden, weil sie es für sinnvoll hielt. Ein weiterer Beweis dafür, wie sie sich seit dem Spanienurlaub weiterentwickelt hatte: Statt gegen die ihr auferlegten Beschränkungen zu rebellieren, nutzte sie die Möglichkeiten, die ihre Position ihr bot.
Unterdessen gingen die Berater des Präsidenten an die Planung des Präsidentschaftswahlkampfs 2012 ; eingedenk der früheren Spannungen wegen Michelle Obamas Einbindung in den Wahlkampf hielten sie die First Lady ständig auf dem Laufenden. Doch sie hätten sich keine Sorgen zu machen brauchen. Michelle war auf Nummer sicher gegangen und hatte politisches Kapital angesammelt, das sie jetzt in voller Höhe für die Wiederwahl ihres Mannes einzusetzen gedachte. Im Herbst 2011 schien sie plötzlich überall gleichzeitig zu sein. Sie verkündete ein neues Programm für Veteranen und sammelte Spenden für ihren Mann. Auf diese Weise konnte sie es durch subtile Wahlkampfhilfe ihrerseits den Republikanern endlich heimzahlen, die ihrer Ansicht nach ihren Mann blockiert und gedemütigt hatten. Immerhin war sie die Streitlustigere der beiden Obamas – sie konnte, wie es aus dem Freundeskreis hieß, zur »Bärenmutter« werden, wenn ihr Mann bedroht war. Es würde die letzte Wahlschlacht des Präsidenten sein, und wenn es
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