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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Halt zu finden und sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Es handelte sich um einen Lavakäfer. Im Landesinneren fand man ihn nur sehr selten, aber hier an der Südküste, wo es überall erkaltete Schlacke gab, kam er recht häufig vor. Der Lavakäfer hatte eine Eigenart. Wenn er sich bedroht fühlte, konnte er zwei verschiedene Flüssigkeiten in seinem Körper mischen und diese versprühen. Das Ergebnis war eine brodelnde Substanz, die dem Gegner mehr oder weniger starke Verbrennungen zufügte. Ein sehr wirksamer Abwehrmechanismus, um nicht gefressen zu werden. Der Grund dafür, dass die Käfer hier lebten, war einfach: Ihre Verteidigung brauchte Schwefel. Da der Schwefel hier unten am Felsen vom Salzwasser ausgewaschen wurde, musste der Käfer hinaufklettern, zu einer Stelle, an der Vulkandampf austrat. Nach einem für einen Käfer recht langen Marsch fand er endlich, wonach er suchte. Doch der Schwefel war kristallisiert, und der Lavakäfer fand keinen Halt darauf. Er rutschte immer tiefer in die Spalte. Er stürzte wie in einer Sanduhr durch den Trichter in eine Höhle. Mit einem kaum hörbaren Geräusch landete er auf einem Tisch, der anscheinend ein Überbleibsel eines gesunkenen Schiffes war. Auf der Platte waren die Intarsienbuchstaben des Schiffsnamen eingearbeitet: »Gischtkrone II«.
    »Na, was haben wir denn da? Sieh dir das an, Truganost. Schon wieder einer dieser Lavakäfer. Wenn das so weitergeht, dann können wir eines Tages einen Handel mit Lichtzaubern aufmachen. Vielleicht wollen die Zwerge in der Zwergenesse ihre Tunnel damit beleuchten. Dann wären wir die ersten reichen Oger. Was hältst du davon?«
    Das Sonnenlicht fiel durch den schmalen Schacht in der Höhlendecke genau auf die Gesichter zweier Oger. Sonnenlicht war hier unten seltener als Lavakäfer im Innenland. Durch den langen schmalen Schacht musste die Sonne in einem ganz bestimmten Winkel stehen, damit das Licht bis zum Boden fiel.
    Bis auf die bleiche Gesichtsfarbe hatten die beiden so gut wie keine erkennbaren Gemeinsamkeiten. Der eine hatte ein langes schmales Gesicht und eine Hakennase. Sein Haaransatz beschränkte sich auf ein kleines rundes Stück auf der Mitte seines Schädels. Der Haarzopf reichte ihm weit bis über die Schulter und war schlohweiß. Seine Augen funkelten grünlich und voller Energie.
    Der andere hatte einen kantigen, vollkommen kahlen Kopf. Sein ganzes Aussehen strahlte nur eines aus: Brutalität. Was ein wenig Sanftmut in sein Aussehen brachte, war lediglich die Tatsache, dass er fest schlief.
    Der Langhaarige schob den Lavakäfer vorsichtig mit dem Zeigefinger über den Tisch. Er schnippte ihn über den Rand in eine Schüssel hinein. Der Käfer gesellte sich zu einigen Kieselsteinen und einer Vogelfeder.
    »Siehst du, tat doch gar nicht weh«, sagte er beruhigend zu dem Insekt.
    »Du kannst sagen, was du willst, Truganost, es lohnt sich doch immer wieder hier herzukommen und die Augen aufzuhalten. Noch zwei, drei weitere Ingredienzien, und ich habe wieder alles zusammen.«
    Truganost, wie der eine Oger den anderen nannte, schlief weiter.
    Der Langhaarige stellte die Schüssel auf dem Tisch ab und blickte nach oben. Er versuchte, die letzten Sonnenstrahlen mit dem Gesicht einzufangen. Er genoss sichtlich die Wärme, die sie hinterließen.
    »Etwas sagt mir, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich die Prophezeiung erfüllt. Er wird hier herkommen, und er wird andere mitbringen. Wir müssen sie dann auf den rechten Weg bringen. Sie sind bereit, die Wahrheit zu erfahren. Doch wo der Weg enden wird, ist ihnen überlassen. Glaubst du nicht auch?«
    Truganost schlief.
    Die Sonne hatte ihren Weg fortgesetzt. Das Licht in der Höhle schwand. Die Gesichter der Oger waren nur noch als Silhouetten zu erkennen.
    »Sie haben noch einen langen Weg vor sich, aber sie werden es schaffen. Es ist schon komisch, mit anzusehen, wie die Dinge sich in so kurzer Zeit ändern. Seit ewiger Zeit sitzen wir nun hier unten und warten auf ein Zeichen. Und kaum ist einer von uns tatsächlich gezeichnet worden, überschlagen sich auch schon die Ereignisse. Bist du nicht auch ein wenig aufgeregt? Schließlich wird es dein großer Tag werden.«
    Sein Gegenüber gab noch immer keinen Ton von sich.

20
Verrat
 
    Seit mehreren Tagen hatte Tarbur den Kerker wieder für sich allein. Gestern hatte ihn der Schmied von Osberg besucht, um die Ketten zu überprüfen. Aber auch er konnte sich die rätselhafte Befreiung nicht erklären. Man

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