Die Operation
sich gebannt über das Kassenbuch. Sie spürte genau, dass sie gefunden hatte, wonach sie gesucht hatte.
Sie schob den Bürosessel zur Seite und beugte sich über die Seiten, um sich die handschriftlichen Eintragungen genauer anzusehen. Es handelte sich tatsächlich um ein Kassenbuch, aber keines, das sich mit Einnahmen und Ausgaben beschäftigte. Vielmehr waren darin alle Frauen verzeichnet, die geschwängert worden waren und anschließend abgetrieben hatten. Beide Ereignisse waren mit dem genauen Datum erfasst, und dazu kamen noch etliche andere Informationen. Stephanie blätterte ein paar Seiten zurück und erkannte, dass das Programm schon lange vor der Eröffnung der Klinik begonnen hatte. Paul Saunders hatte seinen Eizellennachschub von langer Hand geplant.
Stephanie betrachtete jetzt gezielt einige individuelle Fälle und erfuhr, dass die Frauen im Anschluss an eine In-vitro-Fertilisation, also eine Reagenzglasbefruchtung, schwanger geworden waren. Das erschien insofern einleuchtend, als nur weibliche Föten erwünscht waren, und die einzige Möglichkeit, wie man das Geschlecht eines Kindes vorausbestimmen konnte, war eben die In-vitro-Fertilisation. Die dazu benötigten Spermien mit X-Chromosom stammten in allen Fällen, die sie herausgepickt hatte, von Paul Saunders. Auch das ein Hinweis auf einen übersteigerten, gewissenlosen Größenwahn.
Stephanie war vollkommen fasziniert. Jeder Vorgang war in deutlicher Schrift fein säuberlich protokolliert. Sie konnte sogar feststellen, welche Art Gewebe in jedem einzelnen Fall verwendet wurde und wie weit die jeweiligen Kulturen in der Eierkammer schon gediehen waren. Während einige Föten Präparate aus intakten Eierstöcken lieferten, waren bei anderen die Eierstöcke zerkleinert und kultiviert worden. Wieder andere waren nur dazu da, unzusammenhängende Keimzelllinien zu liefern.
Stephanie kehrte wieder zu der ursprünglich aufgeschlagenen Seite zurück und zählte nach, wie viele Frauen im Augenblick schwanger waren. Sie musste unweigerlich den Kopf schütteln. Saunders und Konsorten besaßen nicht nur die Unverschämtheit, ein solches Programm durchzuführen, sondern waren auch noch dreist genug, jedes noch so unappetitliche Detail schwarz auf weiß zu protokollieren. Angesichts dieser Entdeckung musste Stephanie nichts weiter tun, als die bahamaischen Behörden von der Existenz dieses Kassenbuchs zu unterrichten und ihnen die Beschlagnahmung desselben zu überlassen.
Mit einem Mal erstarrte Stephanie. Ein eiskalter Angstschauer kroch ihr die Wirbelsäule hinab. Sie war noch dabei, die schwangeren Frauen zu zählen, als ihr das Herz plötzlich im Hals pochte. Ohne jedes Geräusch und ohne Vorwarnung hatte sich eine Öffnung aus kaltem Stahl durch ihre Haare geschlichen und drückte sich nun in ihren schweißnassen Nacken. Sie wusste sofort und ohne den Hauch eines Zweifels, dass es sich um einen Pistolenlauf handelte!
»Keine Bewegung und Hände auf den Schreibtisch«, mahnte eine geisterhafte Stimme.
Stephanie merkte, wie ihre Knie nachgaben. Sie war vollkommen gelähmt. All ihre Ängste im Zusammenhang mit ihrer Schnüffelei hatten sich, durch den Zeitdruck verstärkt, in reinste Panik verwandelt. Über das Kassenbuch gebeugt stand sie da, eine Hand auf dem Schreibtisch und die andere in der Luft. Sie hatte den Zeigefinger zum Zählen gebraucht.
»Leg die Hände auf den Schreibtisch!«, wiederholte Kurt in unverhohlenem Zorn. Seine Stimme zitterte. Er musste sich zusammenreißen, um diesem schändlich aufreizenden Weibsstück, das es tatsächlich gewagt hatte, in die Eierkammer einzudringen, nicht mit der Pistole eine überzubraten.
Der Pistolenlauf bohrte sich so stark in Stephanies Nacken, dass es fast schon wehtat. Als sie schließlich die Kraft gefunden hatte, sich zu bewegen, tat sie, wie ihr befohlen worden war, und legte ihre rechte Hand auf die Schreibtischplatte. Vielleicht konnte sie, wenn sie beide Hände auf der Tischplatte hatte, einen Zusammenbruch verhindern. Sie zitterte vor Angst so sehr, dass ihre Beine sich wie Wackelpudding anfühlten.
Gott sei Dank wurde der Pistolenlauf jetzt zurückgezogen. Stephanie holte Luft. Nur entfernt nahm sie die suchenden Hände in ihren Jackentaschen wahr. Sie merkte, wie das Handy und ein Durcheinander aus Stiften und Zetteln herausgeholt und wieder hineingesteckt wurden. Sie war gerade dabei, sich ein wenig zu erholen, als sie Hände unter ihrem Laborkittel spürte, die sie umfassten und ihre
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