Die Operation
entblößte dabei eine schwarze Socke sowie ein blässlich weißes Stück Wade.
Einen Augenblick später öffnete sich die Tür erneut und Kardinal James O’Rourke trat ein, gefolgt von Father Maloney, der die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss zog. Der Kardinal war in seine Amtstracht gekleidet. Über den schwarzen Hosen und dem weißen Hemd mit Bündchen trug er einen schwarzen Talar, der mit kardinalsroten Kordeln und Knöpfen verziert war. Um die Hüfte war eine breite, rote Schärpe geschlungen. Auf dem Kopf trug er ein kardinalsrotes Zucchettohütchen und um den Hals hing ein mit Juwelen besetztes, silbernes Kreuz.
Carol und Ashley erhoben sich. Carol war beeindruckt von der pompösen Aufmachung des Kardinals, die durch die Kargheit des Zimmers noch augenfälliger wurde. Aber nachdem sie aufgestanden war, merkte sie, dass der mächtige Kirchenfürst kleiner war als sie selbst mit ihren eins achtundsechzig. Und im Vergleich zu Ashley, der selbst keineswegs groß war, wirkte er ausgesprochen klein und plump. Trotz seiner prachtvollen Ausstattung verlieh ihm sein gütiges Lächeln das Aussehen eines demütigen Priesters mit weicher, fleckenloser, aufgedunsener Haut, leuchtend roten Wangen und rundlichen, freundlichen Zügen. Sein scharfer Blick verriet jedoch etwas anderes und stimmte eher mit dem überein, was Carol über den mächtigen Kirchenmann wusste. In ihm spiegelte sich ein exzellenter und gerissener Verstand.
»Herr Senator«, sagte der Kardinal, und seine Stimme entsprach dabei seinem bewusst demütigen Auftreten. Er streckte ihm eine kraftlose Hand entgegen.
»Euer Eminenz«, erwiderte Ashley und kramte seinen herzlichsten Südstaatenakzent hervor. Er drückte die Hand des Kardinals mehr, als dass er sie schüttelte, und vermied es entschieden, seinen Ring zu küssen. »Es ist mir eine große Freude. Ich weiß, welchem Termindruck Sie sich ausgesetzt sehen, und bin deshalb mehr als dankbar dafür, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich so kurzfristig mit mir einfachem Burschen vom Lande zu treffen.«
»Ach was, Herr Senator«, wehrte der Kardinal ab. »Es ist mir wie immer ein Vergnügen, Sie zu sehen. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Ashley setzte sich und nahm seine vorherige Haltung wieder ein.
Carol wurde erneut rot. Ignoriert zu werden war genauso unangenehm, wie abgewiesen zu werden. Sie war fest davon ausgegangen, dass sie vorgestellt wurde, zumal der Kardinal ihr einen Blick mit einem leisen, fragenden Zucken seiner Augenbrauen zugeworfen hatte. Sie ließ sich in eine sitzende Position zurücksinken, während der Kardinal den grob geflochtenen Stuhl vom kleinen Schreibtisch herübertrug. Father Maloney stand schweigend an der Tür.
»Ich glaube, in Anbetracht unserer knapp bemessenen Zeit sollte ich direkt zur Sache kommen.«
Carol fühlte sich merkwürdig unsichtbar und beobachtete die beiden Männer, die neben ihr saßen. Mit einem Mal erkannte sie, wie ähnlich sie einander waren, trotz ihrer unterschiedlichen Erscheinung und weit über das ihnen gemeinsame fleißige und zugleich fordernde Wesen hinaus. Beide hatten sie erkannt, dass ein Verwischen der Grenze zwischen Staat und Kirche ihren jeweiligen Interessen dienlich sein konnte. Beide waren sie meisterhafte Schmeichler und pflegten persönliche Verbindungen zu anderen Menschen, um mit ihnen Gefälligkeiten zum beiderseitigen Nutzen auszutauschen. Beide verbargen sie hinter ihrer äußeren Erscheinung - dem demütigen Priester im Fall des Kardinals, dem naiven Burschen vom Lande im Fall des Senators - eine rücksichtslose, berechnende Persönlichkeit mit einem eisernen Willen.
»Der direkte Weg ist immer der beste«, sagte James. Er saß aufrecht da, die pummeligen Hände um das Zucchettohütchen gelegt, das er von seinem fast kahlen Kopf genommen hatte.
Carol erschienen sie wie zwei Gladiatoren, die einander argwöhnisch umkreisten.
»Es hat mir unendlichen Kummer bereitet, mit ansehen zu müssen, wie die katholische Kirche von allen Seiten unter Beschuss geraten ist«, fuhr Ashley fort. »Dieser neuerliche Sexskandal hatte seinen Preis, dazu die Uneinigkeit in den eigenen Reihen und ein kränkelnder, gealterter Führer in Rom. Ich habe manche Nacht wach gelegen und nach einer Möglichkeit gesucht, wie ich ihr vielleicht dienen könnte.«
Carol musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Sie war nur allzu vertraut mit den wahren Gefühlen des Senators in Bezug auf die katholische Kirche. Als
Weitere Kostenlose Bücher