Die Opferstaette

meinte, kaufte ich ihr einen bunten Kerzenleuchter aus klobigem Kunstglas. Falls mir Rattigan den Briefbeschwerer zurückgab – und ihn nicht aus Rachsucht behielt -, wollte ich ihn in Erinnerung an Kim selbst behalten.
    Ich wollte gerade nach einem Café Ausschau halten, als mir im Fenster einer Boutique ein schwarzes Kleid ins Auge sprang. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das Kleid hatte einen ausgestellten Rock mit vollständig geöffneten roten Mohnblüten und blauen Kornblumen, die an langen, anmutig gebogenen Stängeln vom Saum aufwärts wuchsen. Es war mit einer leuchtend roten, taillierten Jacke kombiniert, das es vom Dinnerpartykleid in ein halboffizielles Outfit verwandelte.

    Es war eine der schnellsten Entscheidungen, die ich je getroffen hatte, und als ich den Laden verließ, fragte ich mich, was mich dazu gebracht hatte, es zu kaufen. Ich trage nicht oft Schwarz oder Rot, aber ich stelle häufig fest, dass ich mich meiner physischen oder emotionalen Umgebung anpasse, meist ohne darüber nachzudenken. In der letzten Zeit waren Blau, Weiß und Sand meine Farbtöne gewesen, deshalb war ich wohl übersättigt von ihnen. Aber es beunruhigte mich, dass die gewählten Farben etwas Prophetisches haben könnten. Bis ich Kendrick vom Krankenhaus abholen sollte, war noch etwas Zeit. Eine Tasse guter Kaffee war eindeutig in Ordnung.
    Ich kam auf einen kleinen Platz mit ein paar attraktiv aussehenden Cafés, einem Laden namens Chocolat und einer Wäscheboutique. Hier konnte man seiner Kreditkarte – und seiner Figur – als Frau auf engstem Raum ernsten Schaden zufügen, dachte ich.
    Auf der anderen Seite des Platzes war ein Bürogebäude mit dem Schriftzug Clare Champion. Ich hatte im Online-Archiv der Zeitung keinen Bericht über Lena Morrison finden können – vielleicht konnte ich ihn hier nachschlagen. Aber wenn ich einen Kaffee trank, würde mir dann noch Zeit für die Zeitung bleiben? Ich beschloss, es andersherum zu machen, und überquerte den Platz. Die Dame mittleren Alters am Empfang beschied mir höflich, das Archiv des Champion befinde sich auf Mikrofiche in der Bezirksbibliothek, aber als sie mir den Weg dorthin erklärte, wurde mir klar, dass ich die Zeit dafür nicht haben würde. Als die Frau meine Enttäuschung bemerkte, fragte sie, wonach ich suchte. Ich erklärte es, und sie erbot sich, mit jemandem in der Bibliothek Kontakt aufzunehmen und es für mich nachschlagen zu lassen. Während sie das tat, ging ich auf die andere Seite des Platzes und ergötzte mich am Schaufenster des Chocolat mit seinen hausgemachten
Köstlichkeiten. Ich kaufte eine Geschenkschachtel davon als Mitbringsel für meine Mutter, dazu ein kleines Dankeschön für die Dame am Empfang und ein weiteres für Marion Costello. Als ich zurück in das Zeitungshaus kam, waren bereits zwei Faxe für mich eingetroffen. Das erste enthielt eine kurze Meldung über Lenas Verschwinden und die nachfolgende Suche.
    STUDENTIN VERMUTLICH VON KLIPPE IN TOD GESTÜRZT
    Der Bericht ähnelte dem im Examiner, den ich online gefunden hatte. In der Woche darauf war ein gehaltvollerer Artikel erschienen. Ich ging in das Café, das mir die Empfangsdame empfohlen hatte, bestellte einen doppelten Espresso und las den längeren Artikel.
    HOFFNUNG FÜR VERMISSTE STUDENTIN SCHWIN-DET

    Die Polizei, die nach der Studentin Lena Morrison aus Limerick sucht, hat nur noch wenig Hoffnung, sie lebend zu finden. Lena (22) wurde zuletzt gesehen, als sie nachts nahe den Klippen in Kilkee spazieren ging, wo sie den Sommer über gearbeitet hat. Ein Armband, das ihr gehörte, wurde später in der Nähe des Lookout Cliffs gefunden, des höchsten Punkts in der Gegend. Laut Polizei gibt es jedoch keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Nach Aussage von Freunden hatte Lena ihr Handy stets bei sich, und als Spürgeräte der Polizei kein Signal ausmachen konnten, wurde dies zunächst als Hinweis darauf gewertet, dass es sich nicht in dem Gebiet befand, in dem danach
gesucht wurde. Det. Sgt. Dermot Rattigan teilte dem Clare Champion jedoch mit, es bestätige eher, dass sie das Handy bei sich trug, als sie ins Wasser stürzte. Doch trotz einer umfangreichen Suche zu Land und Wasser durch Polizei und Freiwillige wurde Lenas Leiche bisher nicht gefunden.
    Lenas Eltern sind überzeugt, dass sie entführt wurde. Und in einem Fernsehappell, in dem potenzielle Zeugen, die sie am fraglichen Abend möglicherweise gesehen haben, aufgefordert wurden, sich zu melden, sagte ihre