Die Opferstaette
Psychologin einsehen. Obwohl sie nach außen hin eine selbstbewusste Person zu sein schien, hatte sie offenbar Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl und setzte Sex als Mittel ein, Zuneigung zu gewinnen.«
»Wann hatte sie diese Beratung?«
»Während sie die höhere Schule besuchte.«
»Hört sich für mich eher nach Teenagerproblemen an – nicht nach einer Selbstmordkandidatin. Kim Tyrell wurde damals von Detective Rattigan befragt. Sie erzählte ihm von einem Gespräch, das sie mit Lena Morrison geführt hatte. Steht davon etwas in der Akte?«
Nolan schnalzte mit der Zunge, während er die Akte durchging. »Ich sehe Aufzeichnungen einer Befragung, die von der Polizistin Pauline O’Sullivan durchgeführt wurde … und hier ist eine kurze Decknotiz angefügt … da steht, weiter wurde nichts unternommen, da nichts auf eine Verbindung zwischen Lenas Selbstmord und der Zerstörung der Klosterruinen hindeutet, die man betrunkenen Jugendlichen zuschrieb. Man hatte den Eindruck, Ms. Tyrell verfolge ihre eigenen Ziele und versuche den Bauträgern des HFH eins auszuwischen, indem sie sie mit dem Verschwinden der jungen Frau in Verbindung brachte.«
»Wer hat die Notiz geschrieben?«
»Dermot Rattigan.«
Rattigan hatte jede Chance zunichte gemacht, dass Kims Bedenken nachgegangen wurde. Aber war sein Handeln verdächtig oder einfach nur dumm? Ich war am Parkplatz angekommen und stand vor dem Eingang, von wo ich den Markt noch sehen konnte. »Okay, Ivor, ich darf Sie doch so nennen?
Es ist Zeit, Sie auf Trab zu bringen. HFH hat die Ferienhäuser auf George’s Heights in Kilkee gebaut. Die Klosteranlage wurde zerstört, damit das Bauprojekt über die Bühne gehen konnte. Lena Morrison warnte Kim, dass es passieren würde, aber als es dann tatsächlich geschah, konnte man nicht beweisen, dass die Bauentwickler verantwortlich waren. Zum einen, weil Lena verschwunden war. Als in der letzten Woche nun ans Licht kam, dass Lena ermordet wurde, sagte Kim, sie würde in ihren Unterlagen über Aktivitäten von HFH nachsehen – die fehlende Akte, die Sie bestimmt nicht im Haus gefunden haben, oder?«
Nolan räusperte sich. »Nein. Sie ist nicht aufgetaucht. Und ich glaube, inzwischen dürfte Ihnen wieder eingefallen sein, was in der Notiz stand.« Er wusste, dass ich ihn ausgehorcht hatte.
»Ich sage es Ihnen sofort. Aber erst will ich wissen, wie lange Kim bereits tot war, als ich sie fand.«
Nolan schnalzte mit der Zunge, sagte nichts.
»Nun?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich …«
»Sie dürfen.«
»Mindestens vierundzwanzig Stunden.«
»Dann wurde die Notiz kurz vor ihrer Ermordung geschrieben.« Es konnte sogar passiert sein, während ich die Luftansicht der Küste aus McGanns Hubschrauber genossen hatte. Ich schauderte. »Aber sie hatte zuvor am Samstagmorgen eine Nachricht auf meinem Handy hinterlassen. Bevor sie die Notiz schrieb. Sie sagte, sie habe einen Weg gefunden, HFH mit der Zerstörung der Klosterstätte in Verbindung zu bringen. In der Notiz stand dann, das Geld, das HFH für die Zerstörung der Anlage bezahlte, sei an HFH selbst gegangen.«
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Ich glaube, Kim war überzeugt, dass der Kerl, der für die Zerstörung der Anlage angeheuert wurde, das Geld, das er dafür bekam, in eins der Ferienhäuser gesteckt hat. Wenn das zutrifft, sollte es möglich sein, ihn zu identifizieren. Vielleicht hatte es Kim selbst schon versucht.«
Nolan ließ ein leises Pfeifen hören.
»Und während Sie darüber nachdenken«, sagte ich. »Welche Details über das Armband, das Lena getragen haben soll, als sie verschwand, sind in der Akte vermerkt?«
»Äh … Details? Moment.«
Aus dem Augenwinkel sah ich einen weißen Lieferwagen auf der Straße neben einem der Marktstände halten. Der Fahrer, ein Jugendlicher im Trainingsanzug, ließ den Motor laufen, sprang heraus und ging zu dem Stand, um mit dem Händler, einem kräftigen Mann mit rasiertem Schädel, zu sprechen.
»Da ist es«, sagte Nolan. »Hier steht: Bernsteinarmband für Damen mit dreiarmigem Papstkreuz.«
»Ein Papstkreuz?« Einen Moment lang war ich verdutzt.
»Es ist jedenfalls nicht das im Phoenix Park«, scherzte er lau.
»Das ist kein Papstkreuz, es ist eine Eiche«, sagte ich. »Wo ist das Armband jetzt?«
»Keine Ahnung.«
»Und stimmt es, dass es von jemandem aus dem Crabshell identifiziert wurde?«
»Sie scheinen so viel über die ganze Sache zu wissen wie ich. Worauf läuft das alles eigentlich
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