Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
Frühsommer, immer noch das cremefarbene Mädesüß. Der Zusammenprall der Farben erinnerte an die Bauernhäuser, die über die Landschaft verstreut waren. Und genau diesen Mix aus Farbtönen hatte Kim für den gläsernen Briefbeschwerer verwenden wollen, den sie für mich anfertigte.
    Nachdem ich etwa zehn Kilometer gefahren war, verlangsamte ich. Es gab nur wenige Orientierungspunkte entlang der überraschend geraden Straßen auf der Halbinsel, und zu Kims
Haus ging es eine kleine Seitenstraße hinunter, die leicht zu übersehen war. Sie hatte an einem Pfosten an der Abzweigung ein kleines Holzschild angebracht, aber das wurde, wie sie mir glücklicherweise mitgeteilt hatte, durch die trompetenförmigen Blüten einer Winde verdeckt. Als nützlicheren Hinweis hatte ich mir einen verkrüppelten Baum gemerkt, dessen Krone durch die vorherrschende Windrichtung zu einem flachen Keil geformt worden war. Nach diesem hielt ich nun Ausschau und sah ihn zu meiner Erleichterung fünfzig Meter voraus über die Hecken ragen. Unmittelbar dahinter bog ich links ab, dann die zweite rechts, auf einen Feldweg mit einem Grasstreifen in der Mitte.
    Und schließlich war ich vor Kims Cottage. Ich fuhr durch das Tor und parkte neben dem Haus hinter ihrem grünen Van. Als ich ausstieg, hörte ich Lerchen in den nahen Wiesen. Meine Ankunft hatte auch die Aufmerksamkeit einiger Anwohner geweckt – auf einer der Weiden betrachteten mich eine Stute und ihr Fohlen neugierig, eine Herde besorgt dreinblickender Rinder glotzten von einer anderen herüber. Die Wiesen fielen zur Flussmündung hin ab, und in der Ferne sah ich das Wasser im Sonnenlicht glänzen. Das Fohlen kam, noch etwas unsicher auf den langen Beinen, auf mich zu; es erinnerte mich an die Festköniginnen, die ich zuvor auf der Straße gesehen hatte. Dann wurde es von etwas erschreckt und hüpfte zurück, um sich hinter seiner Mutter zu verstecken.
    Ich beendete meine kurze Träumerei und rief nach Kim. Es überraschte mich nicht, dass sie nicht herausgekommen war, um mich zu begrüßen. Bei ihrer Arbeit gab es Momente intensiver Konzentration, wenn sie die winzigen Glasstücke ihrer Miniaturskulpturen zusammensetzen musste. Doch ein rascher Blick ins Fenster ihres Ateliers verriet mir, dass sie dort nicht war.

    Ich folgte dem breiten Kiesstreifen zur Rückseite des Hauses – Kim hatte mir erzählt, sie würde den Vordereingang kaum benutzen – und sah, dass die Tür weit offen stand. Als ich darauf zuging, knirschte etwas unter meinem Fuß. Ein Blumentopf, einer von zweien, die links und rechts neben der Tür gestanden hatten, lag zerbrochen auf dem Boden, die Erde war über den Kies verstreut, die Geranie, die sie enthalten hatte, lag welkend in der Sonne.
    Ich spürte, wie sich meine Kehle zuschnürte.
    »Kim?«, sagte ich und klopfte sacht.
    Keine Antwort. Ich stand im Eingang. »Hallo?«
    Nichts.
    Ich ging hinein.
    Es gab weitere unheilvolle Zeichen. Im Wohnzimmer war eine Tischlampe zerbrochen und ein Sessel umgekippt. Ich rief erneut ihren Namen und ging vorsichtig in die Küche. Neben der Spüle stand benutztes Frühstücksgeschirr. Der Tisch war sauber und leer. Dahinter eine Anrichte, zwischen dieser und dem Kamin eine Nische mit Regalfächern voller Zeitungen und Zeitschriften. Auf einem der unteren Fächer stand ein Aktenschränkchen, dessen einzige Schublade offen war. Doch während ich langsam um den Tisch ging, bemerkte ich, dass mich von einem Zeitschriftenstapel herab ein paar gelber Augen beobachteten.
    Die schwarze Katze miaute heiser, als ich mich näherte. Ich erinnerte mich nicht an ihren Namen, aber ich machte beschwichtigende Geräusche und hob die Hand, um sie zu streicheln. Sie fauchte mich an. Ich zog die Hand zurück. Die Katze fühlte sich in die Enge getrieben. Ich reckte den Hals, um in die Schublade zu sehen. Sie war vollgepackt mit Hängeregistern, alphabetisch beschriftet. Zwischen einigen der Register war etwas mehr Platz, und ich sah, dass eines davon weder
Aktendeckel noch Schriftstücke enthielt. Ich streckte die Hand aus, um das Register herauszuziehen.
    Die Katze fauchte wieder und fing an, sich zur Flucht zu sammeln – oder vielleicht auch zum Kampf. Ich kam ihr zu nahe. Ich konnte gerade so drei handgeschriebene Großbuchstaben auf dem grünen Etikett des offenen Ordners erkennen. HFH.
    Head for Heights , nahm ich an.
    Ich verließ die Küche und erkundete den Rest des Hauses. Kim war nicht im Schlafzimmer, wo ich sie klopfenden Herzens

Weitere Kostenlose Bücher