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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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seelenloses Wesen vom Anfang aller Zeit wissen, wie man ein Auto fährt?
    Ich sah Liz an. Sie sah so hübsch, unschuldig und besorgt aus, dass ich noch wütender wurde. Ich hatte das Gefühl, dass jemand mein Gehirn wie ein Marmeladenglas zerschmettert hatte.
    »Nein, danke, ich möchte keinen K-k-k-...«, stammelte ich.
    Sie legte ihre Hand auf meine Schulter und küsste mich auf die Stirn. »David, du siehst einfach schrecklich aus. Leg dich doch ein wenig hin.«
    Ich atmete tief durch. Ruhig, David, ganz ruhig. Du bist nicht verrückt, das weißt du genau. Aber wo ist Charity ? Und warum kann sich Danny nicht an sie erinnern ?
    »Ich möchte mich erst noch mal auf dem Dachboden umsehen«, sagte ich.
    »Hältst du das für eine gute Idee?« »Ich weiß nicht. Es könnte sogar eine sehr schlechte Idee sein, es könnte extrem gefährlich sein. Aber ich schätze, dass du dich an den Grund nicht erinnern kannst. Ich nehme nicht an, dass du noch weißt, wie du Charity nach oben gezogen hast, damit sie nicht von Brown Jenkin in Stücke gerissen wird.«
    Liz sagte nichts, sondern drückte mich an sich, sodass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.
    »Ich muss das einfach machen, das ist alles«, sagte ich.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte sie.
    »Nein, nein, koch du nur weiter. Wer weiß, vielleicht ist da oben ja gar nichts und wir können zum Abendessen bleiben.«
     

18. Der Sohn des Blutes
 
    Ich öffnete die Tür zum Dachboden, und wieder schlug mir der abgestandene Luftzug entgegen. Ich sah zu Liz, die auf der Treppe hinter mir stand und mir zunickte: »Geh schon, geh. Du musst Gewissheit haben.«
    Ich schaltete die Taschenlampe an und richtete sie auf die Stufen. Es war da oben völlig dunkel, nicht ein Hauch von Morgendämmerung. Aber im Jahr 1886 war es November, nicht Juli. Also konnte es durchaus sein, dass es noch dunkel war, immerhin war es sehr früh am Morgen.
    »David«, sagte Liz. »Ruf mich, wenn du mich brauchst.«
    »Habe ich jemals gesagt, dass ich dich nicht brauche?«, gab ich zurück.
    »Ich will nur, dass es dir gut geht.«
    Darauf wusste ich nichts zu sagen, also ging ich die Treppe hinauf auf den Speicher und sah mich um. Die Taschenlampe beleuchtete das vertraute Gerümpel, während ich mich am Geländer festhielt. Es war kein Kratzen zu hören, nur der Wind und das Kreischen hungriger Möwen.
    Du hast dir alles nur eingebildet, siehst du? Das kommt alles nur von den Märchen, die dir Mutter erzählt hat, dachte ich. Ich erinnerte mich daran, wie mir meine Mutter an Winterabenden in Sussex Märchen vorlas. Vom Schneider, der Daumen abschnitt, von Paulinchen, die allein zu Hause war, vom Suppenkaspar, der seine Suppe nicht essen wollte. Meine Suppe ess ich nicht, nein, ich esse meine Suppe nicht. Ich konnte die Worte so deutlich hören, als würde sie sie mir gerade erzählen. Ich konnte meine grün gemusterte Decke sehen, meinen grün gestreiften Pyjama, meine Modellflugzeuge auf dem Schrank, leimverschmiert und schief zusammengebaut. Ich konnte Kezia Mason in blutgetränkte Laken gewickelt sehen, ich sah den jungen Mr. Billings, wie er über den Rasen ging. Ich sah Brown Jenkin, der wie ein Schatten voller Klauen und Zähne hinter ihm herlief.
    Ich bemerkte, dass ich das Geländer so fest umschlossen hielt, als wolle ich es aus der Wand reißen. Mein Herz raste wie verrückt. Stress, dachte ich. Zu viel Adrenalin. Ich werde verrückt, ich kann nicht mehr zwischen Realität und Einbildung unterscheiden. So ist das also, wenn man dem Wahnsinn verfällt. Das ist eine totale, außer Kontrolle geratene Breitwand-Paranoia in Technicolor.
    Ich tat einen Schritt nach dem anderen, während ich mit der Taschenlampe die Stufen beleuchtete. Ich erreichte das Dachfenster und sah nach oben. Kein Himmel, keine Sterne. Es war so verschlossen wie zu der Zeit, als Harry Martin einen Blick hineingeworfen hatte. Ich ging hinüber zur Klapptür und hob den Teppich an. Nichts. Keine Klapptür. Ich berührte den Boden und stellte ohne jeden Zweifel fest, dass Mr. Billings' so genannter »sumerischer Durchgang« ins Jahr 1886 nicht existierte. Ich hatte mir alles nur eingebildet. Ich hatte Kindheitsgeschichten und Tratsch über Fortyfoot House und den Bericht über die sumerischen Zikkurats im National Geographie durcheinander gebracht und eine Fantasiewelt erschaffen, in der es mysteriöse Fremde, Hexen und Zeitreisen gab.
    In gewisser Weise war es fast eine Erleichterung, dass nichts von alledem real

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