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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Blumen. Alles war gelb oder grau. Keine Möwen schrien, kein Insekt summte, nichts. Die See war schwarz wie Ol, und ein Blick genügte, um zu wissen, dass in dieser See kein Fisch schwamm, jedenfalls kein gewöhnlicher Fisch.
    Unter dem düsteren schwefeligen Himmel sah ich Brown Jenkin fortrennen, Danny in seinem Schlepptau. Beide wirkten wie winzige Figuren in einem Traum. Sie mussten über die Feuerleiter vom Dach geklettert sein. Ich schrie: »Danny!« Er versuchte, sich umzudrehen, und für einen Moment konnte ich sein ängstliches Gesicht sehen. Und dann hatte Brown Jenkin ihn schon über den Rasen in Richtung Kapelle hinter sich hergezerrt.
    Ich wollte durch das Dachfenster klettern, bekam aber im gleichen Augenblick einen Hustenanfall, der mich zwang, meine Füße wieder auf die oberste Stufe der Trittleiter zu stellen. Ich spürte, dass jemand an meinem Hosenbein zog. Als ich mich umdrehte, sah ich Charity, die hinter mir auf der Leiter stand und mich anlächelte. Liz hatte sich unterdessen in eine Ecke des Dachbodens zurückgezogen und war so sehr von Rauch umgeben, dass ich sie kaum sehen konnte.
    »Wenn Sie ihm folgen, David«, sagte Charity, »dann kehren Sie vielleicht niemals zurück. Keiner von Ihnen.«
    »Er ist mein Sohn.«
    Sie lächelte und nickte. »Ich weiß. Ich war die Tochter meines Vaters. Alle Kinder im Fortyfoot House waren Söhne oder Töchter.«
    »Wer bist du?«, fragte ich sie.
    Sie schloss und öffnete ihre Augen wie eine Katze. »Was Sie eigentlich von mir wissen wollen, ist, was ich bin.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ist das so?«
    Miller kam zu uns herüber, während er seine Augen mit seinem Taschentuch wischte. »Hören Sie«, sagte er. »Meine Leute sind gerade eingetroffen. Ich lasse sie die Umgebung absuchen. Dieses ... Ding ... kann Ihren Sohn nicht allzu weit verschleppt haben.«
    Ich wollte ihm gerade sagen, dass sie ihre Zeit vergeuden würden, den Garten von 1992 abzusuchen, wenn Brown Jenkin Danny in die ferne Zukunft verschleppt hatte, doch Charity bedeutete mir, ich solle schweigen.
    »Er soll ruhig beschäftigt sein«, sagte sie. »Er kann Ihnen nicht helfen.«
    »Lass mich gehen«, knurrte Liz. »Hörst du mich, du kleines Miststück? Lass mich gehen!«
    Charity drehte sich zu ihr, nickte und sorgte so dafür, dass sich Liz noch weiter in den Schatten zurückzog.
    »Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht? Was ist hier los?«
    »Sie wissen, dass sie übernommen ist«, erwiderte Charity.
    »Übernommen?«
    »Besessen. Oder eben übernommen.«
    Ich konnte nicht glauben, dass es wirklich Charity war, die da zu mir sprach. Trotzdem nickte ich verstehend. »Ich habe es gesehen. Der junge Mr. Billings hat mir erklärt, was es damit auf sich hat.«
    »Oh, der«, sagte Charity lächelnd. »Der arme junge Mr. Billings. Er wollte alles haben. Er wollte Heiliger und Sünder sein, Gewinner und Verlierer, solange er seine Belohnung bekam.«
    »Wer bist du?«, fragte ich wieder. » Was bist du?«
    Sie berührte meine Hand, ich fühlte ihre Finger. Sie war real. Ihre Fingernägel waren abgekaut. Was hätte mich mehr davon überzeugen können, dass sie real war?
    »Ich möchte Ihnen etwas erzählen«, sagte sie und flüsterte, so wie Kinder es tun, wenn sie ein Geheimnis verrieten. »Ich
    bin zu Ihnen als Mädchen gekommen. Aber ich bin mehr als das. Die Alten haben überlebt, indem sie sich in menschlichen Wesen festsetzten. In Kezia Mason, in Ihrer Liz, in Vanessa Charles, die eines Tages die Alten zur Welt bringen wird, die leben werden. Sie haben versucht, sich zu verstecken, aber manchmal verrieten sie sich. So wurden Hexen entdeckt und verbrannt. Nur hat die Verbrennung niemals die Alten getötet. Jede Hexe hat versucht, die drei Söhne zur Welt zu bringen, die ein Sohn werden ... die Unselige Dreifaltigkeit. Der Sohn des Samens, der Sohn des Speichels, der Sohn des Blutes. Aber manche von ihnen«, sie machte eine Geste, die sich auf sie selbst bezog, »brachten Kinder zur Welt, die mehr menschlich als vormenschlich waren. Wenn auch nicht völlig menschlich.«
    »Du meinst, so wie du?«
    »Ja«, antwortete sie lächelnd. »So wie ich. Wir wurden das, was jeder eine weiße Hexe nennt. Frauen, die die Gabe besitzen, andere zu heilen, die Fruchtbarkeit spenden und die die Zukunft vorhersagen können, weil wir natürlich in die Zukunft reisen und mit unseren eigenen Augen sehen konnten, was kommen würde.«
    »Aber du bist ein Kind«, sagte ich. »Ein Mädchen, keine

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