Die Orks
jemanden vor sich gesehen. Keinen Feind, sondern jemanden, mit dem er keinen Streit hatte. Stryke sah die Verwirrung im Gesicht seines Gefreiten. Als er Alfrays Blick folgte, glaubte Stryke für einen Moment etwas Weißes zu erkennen. Einen weißen Hengst mit einem drahtigen, braunhaarigen Mann auf dem Rücken. Seraphim? Die Vision wurde vom Schlachtgetümmel verdeckt.
»Also gut«, sagte Stryke, dem es nicht ganz gelang, den abergläubischen Schauder zu unterdrücken, der ihn überlief.
»Ich will etwas Anständiges zu trinken. Sehen wir mal nach, was diese verfluchten Unis zu bieten haben.«
Die Sonne stand jetzt tief, und Hobrows überlebende Truppen waren zum Rückzug gezwungen. Irgendein Schwachkopf hatte schon vor Stunden das Dickicht in Brand gesetzt und so die Unis herausgescheucht, die sich dort verschanzt hatten, aber das Feuer drohte auch jeden zu verbrennen, der daran vorbei wollte. Schwelende Blätter trieben im Wind und sorgten für das Ausbrechen kleinerer Feuer an unerwarteten Orten. Stellenweise war der Rauch so dicht, dass ein Drache daran erstickt wäre. Die Schlacht hatte den ganzen Tag getobt, mit ungünstigem Verlauf, soweit es die Unis betraf, aber nichtsdestoweniger heftig. Jetzt waren die Vielfraße und die Neuverpflichteten Seite an Seite, viele von ihnen zu Fuß, alle mit Blut besudelt. Bei den Glücklichen war es nicht das eigene. Als der Abend hereinbrach, kam Wind auf und pfiff auf seinem Weg zum Meer durch das Tal. Er zerriss den Rauchvorhang gerade so lange, dass die Orks sehen konnten, wer ihnen so unverhofft zu Hilfe gekommen war. Jennesta.
»Ihr Götter!«, rief Haskeer, während Stryke ihr Name entfuhr. Die Ironie des Schicksals entging ihnen nicht. Und augenscheinlich auch nicht Jennesta. Von der Plattform ihres weit entfernten Streitwagens funkelte sie sie an. So weit sie auch entfernt war, sie wussten, dass sie vor nacktem Hass toben würde. Für die Orks eine winzige Gestalt hoch über ihnen auf dem Hang des nächsten Hügels, hob sie die Hand, als wolle sie einen unsichtbaren Speer werfen. Stryke und seine Vielfraße stoben auseinander. Sie hatten genug von ihrer Magie gesehen, um zu wissen, dass sie über Energiekugeln voller zerstörerischer Energie gebot. Sie hätten sich keine Sorgen zu machen brauchen. Mit der nächsten unvorhersehbaren Bö schloss sich der Rauchvorhang wieder.
»Keine Sorge«, sagte Coilla verächtlich.
»Sie wird ihr kostbares Leben nicht im Getümmel der eigentlichen Schlacht aufs Spiel setzen. Jetzt lasst uns diesen mordenden Anführer der Unis finden und machen, dass wir von hier wegkommen.«
Kimball Hobrow hatte den ganzen Tag hinter seinen Männern gestanden, war von Ort zu Ort geschritten und hatte sie mit zunehmend verzweifelter werdenden Gebeten zum Weiterkämpfen gedrängt. Er hatte sie auf jedem Schritt des Weges begleitet, jeden hart erkämpften Fuß ihres Rückzugs. Jetzt verbarg er sich außer Sicht hinter einem umgestürzten Karren und schrie immer noch heisere Aufmunterungen. Auf einmal war niemand mehr da, den er anfeuern konnte. Der letzte seiner Aufseher sank mit einem müden Seufzer zu Boden. Wie ein einschlafendes Kind gab der Mann den Geist auf und starb, während die Sonne sich hinter dem Hügelkamm verkroch. Das Lager befand sich weit abseits auf einer Seite des Tals. Es hätte sicher genug sein müssen, versteckt in einer kleinen Senke und von Bäumen umsäumt, ein friedlicher Ort für einen Mann, um dort mit seiner Tochter zu lagern. Aber er hatte seine Tochter seit Stunden nicht mehr gesehen. Gott allein wusste, wo sie war. Zum ersten Mal fragte sich Hobrow, ob es Gott überhaupt kümmerte. Der Anführer der Unis duckte sich tiefer und war sich dabei kaum der Splitter von den Planken des Karrens bewusst, die sich in seine Hand bohrten. Sein Schwert war schon seit langem verschwunden, verloren, als eine Meute heulender Wilder über seinen tapferen Trupp hergefallen war. Jetzt hatte er nichts mehr, womit er sich verteidigen konnte. Er sah ein paar Untermenschen, die durch die Trümmer seines Lagers schlichen. Sie trugen die Uniform der Großen Hure. Indem er blitzschnell hochschoss und gleich wieder herunter, gelang es ihm, eine zerissene Decke von dem Haufen zu zerren, der sich im Wagenrad verfangen hatte, und er zog sie sich über den Kopf. Wenn er sich hinkauerte und sich ganz still und reglos verhielt, übersahen sie ihn vielleicht. Während er den Atem anzuhalten versuchte, hörte Hobrow sein Herz so laut wie
Weitere Kostenlose Bücher