Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
»Immerhin habt ihr Mädels seit neuestem jeden Tag ein Lustobjekt vor der Nase. Jetzt haben Jayden und ich wenigstens auch etwas.«
Ich sah ihn konsterniert an. »Wenn du mit Lustobjekt meinen Sitznachbarn meinst …«
»Natürlich, wen denn sonst?«
»Lee ist wohl schwerlich ein …«, wollte ich schon protestieren, aber ich bremste mich mit dem Gedanken an Felicity, Cynthia und Ava. »Zumindest ist er nicht nackt«, wiegelte ich ab.
»Nein, zum Glück nicht«, sagte Corey ehrlich, »sonst bekäme ich endgültig Komplexe. Seit er an der Schule ist, schaut mich keine einzige Frau mehr an.«
»Dich hat auch vorher keine angesehen. Nur hast du das nie registriert«, sagte Jayden trocken und glotzte dabei weiterhin aus dem Fenster. Miss Nackedei bückte sich gerade nach irgendwas.
»Es reicht!«, rief ich und stellte mich vor das Fenster. »Benehmt euch wenigstens, so lange ich hier bin. Außerdem denk mal an deine Schwester. Sie ist dreizehn. Was glaubst du, was passiert, wenn sie das hier mitkriegt?«
»Keine Ahnung«, gestand Corey ungerührt. »Sie wird wohl deswegen nicht gleich ihre Sheepworld-Sachen gegen Sextoys eintauschen.«
»Vielleicht tauscht sie ihre Unterhosen gegen Strings und stolziert demnächst auch so vor dem Fenster hin und her. Ich könnte mir gut vorstellen, dem bärtigen Glupschauge von gegenüber würde das gefallen.«
Zufrieden sah ich, wie Corey entsetzt das Fenster über Miss Nackedei fixierte. Dort saß ein Mann von ziemlich fragwürdigem Aussehen mit dunklem Vollbart. Er starrte zu uns herunter. Ich winkte ihm freundlich zu. Sofort verschwand er.
Cheryl steckte den handtuchumwickelten Kopf durch die Tür. »Wir können.«
Na, wie nett. Ich wusste, ihr war der Nachhilfeunterricht peinlich. Nicht nur, weil sie so schlecht war, sondern auch, weil die uncoole Freundin ihres uncoolen Bruders ihr half … Halt! Sofort korrigierte ich mich. Lee hatte irgendwie Recht: Solange ich mich als Loser fühlte, würden alle mich so behandeln. Ich musste damit aufhören.
Ich folgte ihr dennoch und dachte an die sieben Pfund, die ich gleich kassieren würde. Als ich die Tür schloss, hörte ich Jayden zu Corey sagen: »Unsere City ist schon klasse. Sie fällt jedenfalls nicht auf das gemeißelte Gesicht dieses Sunnyboys rein.«
Erst auf dem Heimweg fiel mir wieder mein Erlebnis im Park ein. Oder war es eine Halluzination gewesen? Zwei Raben erinnerten mich daran. Sie saßen auf einem Absperrgitter für Straßenarbeiten und ich hatte wieder das Gefühl, als beobachteten sie mich. Ich wusste, das war vollkommener Unsinn, aber Raben hatten schon immer diese Wirkung auf mich. Ich schaute weg und ging schneller. Mein Blick fiel auf eine kleine italienische Eisdiele auf der anderen Straßenseite. In der intensiven Herbstsonne saßen Ava und Lee. Ava himmelte ihn an und balancierte ihren gefüllten Löffel vor seinem Mund. Lee ließ sich von ihr füttern und beide lachten.
Ich fühlte mich, als hätte mir jemand eine Ohrfeige verpasst – inklusive der Demütigung und Betroffenheit. Doch sofort fragte ich mich: Warum fühle ich so? Es war ja nicht so, dass Lee mein Freund wäre. Sämtliche Mädchen der Schule himmelten ihn offen an. Sogar Phyllis und Nicole. Er war mein Sitznachbar. Sonst nichts. Er war nett und freundlich zu mir. Das sollte ich schätzen. Und ich schätzte es auch.
Trotzdem hatte ich im Stillen gehofft, dass er anders wäre. Dass er nicht auf das affektierte Gehabe der drei Grazien reinfallen würde. Diese Oberflächlichkeit durchschauen würde und … ja, was und? Sich in mich verlieben? Wollte ich das?
Ich horchte in mich hinein und kam zu einem klaren Nein. Er war nicht mein Typ. Wirklich nicht. Er sah blendend aus und war interessant, klug und höflich, aber irgendetwas störte mich an ihm. Vielleicht, weil er zu gut aussah, zu perfekt war. Vielleicht auch nur, weil ich zum ersten Mal von jemand anderem als meinen Freunden beachtet wurde. Vielleicht, weil er mir suspekt war.
Außerdem war er blond. Blond und Blauäugig. Richard Cosgrove, mein Lieblingsschauspieler, hatte dunkle Haare und graue Augen.
Ich kam zu dem Schluss, dass ich keinen Grund hatte, beleidigt oder eifersüchtig zu sein, wenn Lee mit anderen Mädchen flirtete. Es war wohl eher Enttäuschung. Mit mir wollte er in den Pub meiner Mutter gehen, mit Felicity hatte er bereits am ersten Schultag geknutscht und mit Ava ging er Eis essen. Ein Casanova. Genau so, wie ich ihn von Anfang an eingeschätzt
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