Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
Lee diesen Kommentar. »Ich habe zwei Cousins, die mir recht nahe stehen und so etwas wie Brüder für mich sind. Eamon ist mittlerweile ins Geschäft seines Vaters eingestiegen, Ciaran ist ein Gigolo. Kein Rock ist vor ihm sicher. Sein gutes Aussehen macht es ihm auch viel zu einfach und ich musste ihm oft genug aus der Patsche helfen. Ich weiß also, wie es ist.«
Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte, aber ich verstand, dass er mir mit dieser Eröffnung ein Angebot machte. Also lächelte ich zaghaft zurück. »Gigolo, hm? Was bist dann du?«
»Sagen wir so: Wenn Ciaran James Bond ist, bin ich Austin Powers.«
»Soll ich jetzt protestieren?«, sagte ich. Die Vorstellung von Lee mit Brusthaartoupet drängte sich mir auf.
Im selben Moment grunzte Lee, drehte sich um und hustete. »Vielleicht«, sagte er ein wenig schief grinsend, als er sich wieder beruhigt hatte.
Mr Singer, der den Klassenraum betrat, rettete die Situation und begann mit dem Unterricht.
BEI COREY
Als ich am Nachmittag aus der U-Bahn stieg, war ich erst einmal geblendet. Die Sonne hatte wieder diese kräftige, intensive Farbe, die alle Hauswände heller scheinen ließ und sämtliche Bäume, Blätter und Blumen bunter. Typisches Herbstlicht. Eine Inspiration für Impressionisten! Bei diesem Licht kann man sich Renoir gut vorstellen, wie er in einem Park sitzt und die einzelnen Sonnenpunkte unter den Bäumen einfängt.
Aber ich würde leider gleich wieder in einem düsteren Zimmer sitzen, über Schulbüchern. Coreys kleine Schwester Cheryl brauchte jede Hilfe in Englisch, die sie bekommen konnte, und ich brauchte das Geld, das ich mit der Nachhilfe verdiente.
Ich mochte die kleinen Parks in London. Grüne Oasen inmitten der lauten, steinernen Wüste. Corey wohnte in einer Nebenstraße, und obwohl es ein Umweg war von der U-Bahnstation zu ihm, ging ich immer durch den Park. Vor allem, wenn die Sonnen schien. Drei Rentner sonnten sich auf einer Bank, fünf Kinder spielten an den Spielgeräten und vier Mütter plauderten, während sie ihre Kinderwagen hin- und herschoben und den Älteren beim Spielen zusahen. Ein Stück weiter vor mir auf dem Weg hüpften zwei Raben auf der Suche nach etwas Essbarem umher.
In einem Moment sah ich dieses idyllische Bild, im nächsten nur eine Wiese. Keine Menschen, keine Häuser, kein Lärm. Totenstille. Die Leute, die Autos – alles war verschwunden. Nur Wiese und in ein paar hundert Metern Entfernung ein paar Bäume auf einem Hügel.
Ich stockte und holte erschrocken Luft. Im selben Moment stand ich wieder im Park. Der Lärm war urplötzlich wieder da. Ich taumelte und musste mir die Ohren zuhalten. Was war geschehen? War das eine Vision? Oder fing ich jetzt an zu spinnen? Mein Herz pochte unregelmäßig, meine Knie wurden weich. Unsicher schleppte ich mich vorwärts. Bloß raus hier.
Der Park hatte jeglichen Reiz verloren. Nicht nur das. Ich hatte Angst. Was hatte das ausgelöst? Ich atmete ein paar mal tief ein und aus, bis ich wieder in der Lage war normal weiterzugehen. Als ich an den Raben vorbeikam, hatte ich das Gefühl, sie beobachteten mich mit ihren schief geneigten Köpfen.
Corey öffnete mir. »Cheryl ist noch unter der Dusche. Sie braucht noch eine halbe Stunde«, erklärte er.
Das war wieder typisch. Dann konnten wir nur eine halbe Stunde üben, denn ich musste nachher in den Pub. Ich folgte Corey in sein Zimmer, um dort zu warten.
»Oh, hey, Jayden«, rief ich überrascht. Jayden saß neben Corey an dessen PC. Aber er wirkte verlegen, als er mich sah.
»Hallo, City«, sagte er. Seine Stimme klang ein wenig belegt. Wenn er nicht eh eine dunkle Hautfarbe gehabt hätte, hätte ich geschworen, er wäre knallrot.
Mein Blick schweifte zum Fenster, direkt neben dem PC. Soeben huschte im gegenüberliegenden Fenster eine Frau vorbei. Ich verstand.
»Oh. Mein. Gott.« Ich sah wieder zum Fenster. Ganz eindeutig, die Frau war bis auf einen BH und ihren String nackt. Jetzt wusste ich, warum Jayden verlegen war. Ein Blick auf den PC bestätigte meine Vermutung, denn der Bildschirm war aus. »Ihr elenden Spanner«, zischte ich.
Corey grinste ungeniert. »Hab dich nicht so, City. Ich werde mich nie wieder über meine Aussicht beschweren.«
Die Frau ging telefonierend hin und her und gewährte eine gute Aussicht auf ihre 110-60-90.
Vor allem auf die 90, denn sie wandte andauernd den Rücken zum Fenster.
»Gönn uns doch mal was, City«, sagte Corey und sah mich gar nicht an.
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