Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
Aussehen nicht täuschen lassen. Der Mann war knallhart. Und er duldete keinerlei Widerspruch. Uns allen war noch Thomas Hall im Gedächtnis, der sich letztes Jahr geweigert hatte mit Marder-Max zusammen zu sitzen (für jeden, der Marder-Max je gerochen hat, ein durchaus verständlicher Wunsch). Thomas hatte nur knapp den Abschluss in Religion geschafft, obwohl er sonst immer der Beste in diesem Fach gewesen war.
Ich warf einen Blick auf meinen Nachbarn. Lee grinste träge. Er sah aus, wie eine Katze, die eine Maus erwischt hatte. Es war beinahe unheimlich. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich geschworen, er hat Mr Abbot bestochen.
Ruby hinter mir seufzte. Ich drehte mich zu ihr um und sah, dass sie Lee sehnsüchtig anstarrte, wie ein kleiner Junge eine Spielzeugeisenbahn im Schaufenster. Seine Beliebtheit bei sämtlichen Mädchen hatte sich noch gesteigert. Alle himmelten ihn an. Alle außer mir. Ich fühlte mich wie die Maus.
Und ausgerechnet ich genoss seine Aufmerksamkeit. Er saß nach wie vor in allen Fächern, die ich belegte, neben mir. Während der Mittagspausen gesellte er sich immer öfter zu uns statt zum Star Club. Auch außerhalb der Schule begegneten wir uns öfter. Er war weitere vier Mal mit Jayden und mir joggen gegangen. Trotz meiner Bedenken musste ich ihm zugestehen: Er war ein besserer Lehrer, als Corey es jemals hätte sein können. Er hatte eine Engelsgeduld – vor allem mit Jayden, der noch genauso keuchte und schwitzte wie bei der ersten Runde.
Genau das machte mich stutzig. Wieso gab er sich mit uns ab, wenn er mit Mädchen wie Ava und Felicity zusammen sein konnte? Damit ich mich nicht ganz so linkisch neben ihm fühlte, hatte ich mir angewöhnt, morgens eingehend in den Spiegel zu schauen und mein Äußeres zu überprüfen. Allerdings kam ich mir jedes Mal lächerlich dabei vor.
Ich, Felicity Morgan, die Stadt, wurde eitel. Dafür verachtete ich mich selbst. Einerseits. Andererseits nahm ich es Lee übel. Vor seinem Auftauchen war alles in bester Ordnung gewesen. Seither stand mein Weltbild kopf.
»Morgen um fünf?«, fragte Lee, als wir unsere Bücher zusammenpackten.
»Geht nicht. Ich muss meiner Mutter helfen.« Das war nicht gelogen. Sie hatte mich gebeten, den Pub zu putzen.
»Wie wäre es dann heute um fünf?«
»Ich habe einen Termin beim Friseur«, log ich schnell. »Wie wäre es, wenn du schon mal anfängst. Ich recherchiere auch und dann können wir uns morgen in der Mittagspause austauschen.«
Er schüttelte den Kopf. »So funktioniert das nicht. Wir haben zwei Wochen Zeit. Wir finden schon einen Termin, an dem es dir passt.«
Ich starrte ihn wütend an. »Heute um fünf.«
»Bei mir oder bei dir?« Er sah aus, als wollte er das schon immer mal gefragt haben.
»Bei dir.« Vielleicht sagte er dann ab?
»Okay«, antwortete er zu meinem Leidwesen und nannte mir seine Adresse.
Kurz vor fünf stieg ich aus der U-Bahn Bond Street. Der Berkeley Square lag nur wenige Straßen weiter südlich und ich war überrascht, wie grün diese Gegend war. Lee wohnte mit Blick auf einen hübschen kleinen Park mit vielen verschiedenen Pflanzen und gepflegten Wegen. Kinder liefen unter der Aufsicht ihrer Mütter darin herum. Schlagartig hatte ich das Bild von Frauen in gediegenen langen Kleidern und Schürzen vor Augen. Schnell blinzelte ich ein paar Mal. Nein, keine Vision, wirklich nur eine Vorstellung. Eine, die irgendwie zu Lee passte.
Ich stieg die fünf Stufen zu dem Reihenhaus empor und klingelte. Es gab nur eine Klingel. Anscheinend lebte seine Familie allein in einem ganzen Haus. Wow.
Lee öffnete lächelnd.
»Komm rein. Gerade ist der Tee fertig geworden."
Er führte mich in eine Küche, die dem 19. Jahrhundert hätte entsprungen sein können, wenn nicht ein funkelnagelneuer Edelstahlherd da gestanden hätte. Der Wasserkessel pfiff auf der Gasplatte. Lee schaltete die Flamme ab und goss das dampfende Wasser in eine bereitstehende Kanne.
»Zucker oder Milch?«
»Äh, nur Zucker bitte«, sagte ich überrumpelt. »Hast du etwa auch noch Scones gebacken oder geben wir uns mit Kuchen von Marks and Spencer zufrieden?«
Er lachte. »Ein paar Walkers tun es hoffentlich auch. Ich finde mit einer Tasse Tee lernt es sich leichter.«
Er war immer so aufmerksam. Ich kniff die Augen zusammen. »Wenn ich jetzt sagen würde, ich mag keinen Tee, was würdest du dann tun?«
»Dir Kaffee anbieten oder dich fesseln, bis du die Kanne leer hättest.«
»Ha, ha.« Ich legte meine
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