Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
lagen vermoderte Felle dort und ein paar handgeschnitzte Holzgefäße, sowie eine Ahle und Werkzeug aus grau-weißem Material. An der Wand dahinter waren ein paar Zeichnungen zu sehen, die steinzeitlich aussahen. Wenn das wirklich Steinzeit-Bilder waren, wohnte hier tatsächlich niemand mehr. Aber das Lager konnte unmöglich so alt sein. Die Felle waren dafür noch zu gut erhalten, und das – zugegeben sehr primitive – Werkzeug auch.
Lee kniete neben dem Eingang und sah hinaus.
Jetzt hörte ich es. Draußen waren Stimmen. Männer. Sie unterhielten sich in einer mir völlig fremden Sprache. Ich schlich auf Zehenspitzen zu Lee und versuchte etwas zu erkennen.
Die Männer standen wohl genau am Fuße des Felsens, denn ich konnte keinen sehen.Zwei diskutierten. Dann hörte ich eine dritte Stimme. Wenig später sahen wir, wie sie sich entfernten. Sie trugen braune Tuniken und Felle. Und auf ihrem Kopf Geweihe.
Ich weiß nicht, wer entsetzter aussah, Lee oder ich. Wahrscheinlich ich, denn Lee fasste sich schneller und nahm meinen Arm. Aber ich entzog ihn ihm und trat einen Schritt zurück.
»Fay, ich bin genau der Gleiche wie immer. Keine Angst.«
»Das hast du schon unzählige Male gesagt«, fauchte ich. »Und dann knurrst du wie ein wütender Tiger, bedrohst Besucher mit einem Dolch, liest meine Gedanken, rennst wie eine Rakete und bringst Richard Cosgrove dazu, mich zu mögen.«
Ich hatte erwartet, dass er anders reagieren würde: zerknirscht oder bedauernd oder ausweichend. Und was tat er? Er lachte. Ich starrte ihn ungläubig an. Er wagte es tatsächlich zu lachen! Ich war versucht, ihm eine Ohrfeige zu verabreichen. Anscheinend sah er, dass ich wirklich wütend war und beruhigte sich.
»Ich kann niemanden dazu bringen, dich zu mögen«, sagte er noch immer schmunzelnd. »Richard hast du ganz allein für dich eingenommen. Ich habe euch nur vorgestellt. Und hey, das Thema hatten wir bereits: ich habe dich nicht angelogen.«
Wer weiß, vielleicht konnte er Gedanken manipulieren wie ein Vampir.
»Ich kann nur Gedanken lesen, nicht manipulieren«, erklärte er ruhig. »Und ich bin kein Vampir. Es gibt keine Vampire.«
Er deutete zu dem kleinen Felsvorsprung hinter dem verlassenen Lager, der aussah wie eine Bank.
»Aber Elfen«, konterte ich.
Sein Gesicht wurde ernst. »Wie kommst du darauf?«
Ich sah ihm in die Augen und dachte an das Gemälde in seinem Treppenhaus.
Lee seufzte und nickte dann. »Ja. Elfen. Es gibt Elfen.«
Es gab Elfen?
Ich hatte das mehr als Scherz gedacht.
Lee schüttelte den Kopf. »Kein Scherz.«
Ich plumpste auf den Felsvorsprung. Elfen. Kleine geflügelte Wesen, die den Frühling brachten und starben, wenn man behauptete, man glaube nicht an sie? Ich starrte auf den Boden, auf die Überreste, und ständig schwirrte Libellenflügel durch meine Gedanken. Bis sie sich zu einem anderen Gedanken formten: Nur Elfen? »Gibt es noch andere mystische Wesen? Was ist mit Feen?«
»Nur in Märchen.«
»Einhörner?«
»Nein.«
»Trolle?«
»Nein.«
»Werwölfe?«
»Hörst du mal auf, sämtliche Fernsehfilme durchzugehen?« Er klang amüsiert und ungehalten zugleich.
»Bist du sicher, dass es keine Vampire gibt?«
»Ja.« Das klang sehr überzeugt. Schade. »Du kannst mich alles fragen. Wir haben Zeit. Ich weiß nicht, wie lange wir hier festsitzen werden.«
»Nicht lange. Ich habe diese Visionen … äh, Erlebnisse immer nur ein paar Sekunden lang«, erklärte ich schnell.
»Diesmal könnte es länger dauern. Du bist mit mir hier.«
Und was hat das zu bedeuten?, schoss es mir durch den Kopf.
»Meine Erlebnisse, wie du es nennst, dauern immer so lange, bis ich meine Aufgabe erfüllt habe«, erklärte Lee in einem Tonfall, als würde er einem Kind beibringen, dass eins und eins zwei ergibt.
Was bedeutet das?, wiederholte sich die Frage in meinem Kopf.
»Ich bin Agent, Fay, Zeitagent. Ich löse Fälle und kann den Ort nicht eher verlassen, bis der Fall gelöst ist.«
Lee wollte sich zu mir setzen, aber ich hielt ihn mit einer ausgestreckten Hand zurück. Abwartend stand er mir gegenüber. Ich begann an den Fingern abzuzählen.
»Du bist Agent. Du löst Fälle. Du bist erst achtzehn. Was sind das für Fälle?«
Er schien sich mit einem Mal sehr unwohl zu fühlen. Ich sah ihn mit dem Fuß scharren und seine Hände in die Hosentaschen stecken.
»Kriminalfälle. Manchmal muss ich auch einen Fehler, der begangen wurde, korrigieren.«
Ich sah ihn an und verstand kein Wort .
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