Die Party Queen von Manhattan - Roman
GEHöRT?« Dann stapfte sie schimpfend davon. Klare Sache: Die Frau hatte ein paar Heiße Nächte bitter nötig.
Bis in Alex’ Einzimmerwohnung war es ein mörderischer
Aufstieg. Sie wohnte über einer chinesischen Wäscherei, im sechsten Stock - ohne Aufzug. Sie war Künstlerin, stets von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, mit ständig neuen Haarfarben und einem kleinen Gesichtspiercing, das abwechselnd von der Lippe zur Nase und von der Nase zur Augenbraue wanderte. Eine East-Village-Künstlerin mit einem leidenschaftlichen Hang zu Liebesromanen. Von uns allen hatte sie eindeutig am meisten zu verlieren, falls ihr Bekanntenkreis von ihrer heimlichen Passion erfuhr. Wenn jemand aus der Nachbarschaft wissen wollte, was wir bei ihr zu suchen hatten, sollten wir antworten, wir wären eine Selbsthilfegruppe für anonyme Sexsüchtige. Darauf ich, verwundert: »Du gibst lieber zu, dass du sexsüchtig bist, als dass du Frauenromane liest?« Darauf sie, wie aus der Pistole geschossen: »Und ob! Süchtig sein ist cool. Alle kreativen Leute sind süchtig.« Also taten wir ihr den Gefallen.
Alex, die in ihrer abgewetzten Lederhose und dem verwaschenen T-Shirt noch punkiger aussah als sonst, drückte mir zur Begrüßung erst mal einen Drink in die Hand. Ich pflanzte mich damit auf ihr Bett und wartete auf die anderen, während sie noch sechs, sieben Lagen Wimperntusche auftrug. Janie und Jill, die Zwillinge, trudelten als Nächste ein. Sie waren Anfang dreißig. Janie ging wieder zur Uni und machte einen Promotionsstudiengang in Architektur. Jill arbeitete bei einer Werbeagentur. Den verpönten Schmonzetten waren sie schon als kleine Mädchen verfallen, seit sie sich heimlich welche von ihrer Mutter ausgeborgt und nachts unter der Bettdecke geschmökert hatten. Bald nach ihnen kreuzte Courtney auf, stellvertretende Chefredakteurin von Teen People , die mich damals in der Buchhandlung angesprochen hatte. Die Arme war gleich doppelt geschlagen. Nicht genug damit, dass sie leidenschaftlich gern Schnulzen las, sie wurde auch noch von einem inneren Drang getrieben, selbst welche zu schreiben. Als Letzte kam Vika, halb Schwedin, halb Französin, die einen hinreißenden
Akzent hatte und an einer noblen Privatschule als Erzieherin arbeitete. Wir waren wirklich ein bunt gemischtes Trüppchen.
»Also dann, bevor wir loslegen: Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Jill, während wir anderen noch mit unseren sirupsüßen Drinks beschäftigt waren. Sie führte immer die Regie und versuchte dafür zu sorgen, dass wir beim Thema blieben, ein hoffnungsloses Unterfangen, weil unsere Treffen eher etwas von Therapiesitzungen als von literaturwissenschaftlichen Diskussionen an sich hatten.
»Ich habe gekündigt«, erklärte ich fröhlich und erhob meinen stillosen roten Plastikbecher.
»Na, dann Prost!«, riefen die anderen und stießen mit mir an.
»Wurde aber auch langsam Zeit, dass du die Brocken hinschmeißt«, sagte Janie.
Vika war ebenfalls dieser Meinung: »Ja, ja, err wird dir nischt fehlen, dein Boss, stimmt?«
»Stimmt genau. Aaron wird mir garantiert nicht fehlen.« Courtney schwenkte ihren zweiten Drink und sagte: »Aber was sollen wir denn jetzt ohne die Zitate des Tages machen? Oder kann sie dir vielleicht jemand mailen?«
Schon vom zweiten Treffen an hatte ich die Gruppe regelmäßig an Aarons gesammelten Weisheiten teilhaben lassen. Ich versorgte sie mit den Höhepunkten der vergangenen Wochen und trug sie, mit einem begleitenden Kommentar versehen, laut vor. Die Mädels kringelten sich vor Lachen. Bald revanchierten sie sich mit eigenen Zitaten, mit fiesen, sarkastischen oder gehässigen Sprüchen, die ich Aaron bei Bedarf um die Ohren hauen sollte.
»Da fällt mir was ein.« Ich zog einen Computerausdruck aus meiner Tasche. »Das hier kam drei Tage vor meiner Kündigung. Ausgesprochen erbaulich und kaum noch zu überbieten: ›Teamwork heißt: weniger ich, mehr wir.‹ Ist das nicht scharfsinnig, meine Damen?«
»Wow.« Janie seufzte. »Ich danke dir sehr für dieses geflügelte Wort. Ich werde es mir auf jeden Fall zu Herzen nehmen. Genau, was ich im Leben brauche: weniger ich, mehr wir.«
»Geht mir auch so«, sagte Alex. »Und das Zitat passt klasse zu einem Spruch, der mir erst letztens untergekommen ist. Er stammt von unserem Freund Gore Vidal und lautet: ›Jedes Mal wenn ein Freund von mir Erfolg hat, stirbt etwas in mir.‹«
Während wir noch lachten, meldete sich Janie zu Wort. Sie hatte uns
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