Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
nicht«, gab Cadvan zurück, der nun wieder daran dachte, mit einem Akzent zu reden. »Wie ich schon sagte, ich habe ein paar Kniffe gelernt, als mein eigener Junge noch klein war.«
»Nur Barden ist es gestattet, Heilkunst anzuwenden«, erwiderte Dringold. »Eine Hebamme wurde letzten Monat aus dem Ort vertrieben, weil sie Heil tränke braute.« »Wo ich herkomme, gibt es kein solches Gesetz«, entgegnete Cadvan, und Maerad sah, wie Zorn in seinen Augen aufblitzte. »Wenn jemand krank ist, sollte ihm helfen, wer kann. Jedenfalls ist der Junge jetzt außer Gefahr.«
Sie standen in der Küche und beobachteten den Knaben, der sich wieder gebarte, als wäre er in seinem ganzen Leben noch keinen Tag krank gewesen, und seine Mutter um einen Keks anbettelte.
»Also, was schulden wir Euch?«, fragte der Herbergswirt. Cadvan blickte drein, als wäre er beleidigt worden, woraufhin Dringold errötete.
»Ihr schuldet mir gar nichts«, antwortete er. »Ich wüsste nur zu schätzen, wenn Ihr Stillschweigen darüber bewahren könntet, das ist alles. Ich möchte nicht von Barden gehetzt werden, weil sie meinen, wir hätten unrecht gehandelt.«
»Ihr habt nicht unrecht gehandelt«, widersprach die Gemahlin des Herbergswirts inbrünstig. Mittlerweile schimmerten ihre Augen feucht. »O Ewan, ich hatte solche Angst, so schlimm war es noch nie. Ich musste an Medelins Kleinen denken, der letzte Woche gestorben ist; das hätte ich nicht ertragen können.«
»Schon gut, Rose«, brummte Dringold bärbeißig. »Dann habt Dank, Herr Mowther, falls Ihr Mowther heißt.« Er bedachte Cadvan und Maerad mit einem scharfen Blick. »Ich stehe tief in Eurer Schuld. Dieser Knabe bedeutet Rose und mir die Welt.« Damit zog er ein großes rotes Taschentuch hervor und schnäuzte sich.
»Tja, ich und der Junge gehen jetzt besser zu Bett«, meinte Cadvan nur. »Das solltet Ihr auch tun.« Er nickte ihnen zu, um ihnen eine gute Nacht zu wünschen, dann verließ er mit Maerad die Küche, und sie begaben sich zu ihrem Zimmern.
»War das klug?«, fragte Maerad, sobald sie sich in der Abgeschiedenheit ihres Wohnzimmers befanden.
»Klug?« Cadvan warf ihr einen bohrenden Blick zu.
»Ich meine, wo wir doch zu verheimlichen versuchen, dass wir Barden sind …« Ihre Stimme verlor sich. »Herr Dringold hat offensichtlich Verdacht geschöpft…« »Wenn das alles ist, was zählt: Nein, dann war es nicht klug«, räumte Cadvan ein. »Aber was ist Klugheit wert, wenn sie bedeutet hätte, diesen kleinen Jungen sterben zu lassen?«
»Wäre er denn gestorben?«, hakte Maerad nach.
»Ja«, antwortete Cadvan knapp. »Inzwischen wäre er tot.« Er ließ die Schultern hängen und setzte sich grüblerisch. »Maerad, manchmal gibt es Entscheidungen, die einen bitteren Nachgeschmack haben können, aber dennoch getroffen werden müssen. Ich konnte nicht tatenlos mit dem Wissen zusehen, dass ich ihn retten konnte. Das entspricht nicht der Gesinnung eines Barden.«
Bedauernd dachte Maerad an ihr ursprüngliches Vorhaben, Wäsche zu waschen. »Das heißt dann wohl, dass wir morgen Früh aufbrechen müssen«, meinte sie. »Ich denke, das ist nicht nötig«, gab Cadvan zurück. »Ich glaube, Herr Dringold und seine Frau werden Stillschweigen über uns bewahren. Wir gehen das Wagnis ein.« Selbst durch seine Tarnung hindurch konnte Maerad die Schatten der Erschöpfung in Cadvans Zügen erkennen. Sie dachte an die Magd, die den Vorfall bezeugt hatte, und fragte sich, ob er die richtige Entscheidung traf. Doch sie war zu müde und froh über die Aussicht auf etwas Erholung.
Als sie sich am nächsten Tag aus den Betten erhoben, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Sie genehmigten sich ein ausgiebiges Frühstück aus Gewürzwurst, Bohnen und Speck. Herrn Dringolds Speisekarte hatte sogar gebratene Pilze zu bieten, was Cadvan besonders freute. Außerdem traf Dringold Sorge dafür, dass ihre schmutzigen Kleider zur Wäscherei gebracht wurden, wo sie bis zum Abend fertig werden sollten. Danach schlenderten Cadvan und Maerad zum Markt von Fort.
Maerad war zuvor noch nie auf einem Markt gewesen und zeigte sich begeistert. Der Marktplatz strotzte vor Farben und Gerüchen. Da waren riesige orangefarbene, grüne und goldene Kürbisse; gestreifte gelbe Äpfel, süß und etwas runzlig vom Winterlager; Grün jeder Art -früher Frühlingssalat und Lauch, getrocknete Petersilienstauden und Minze, Majoran und Nesseln, dazu das purpurne Grün großer Winterkohlköpfe, die entzwei
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