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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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besseres Frühstück, als ich es gewohnt bin!«
    Sie aßen in geselligem Schweigen. Dann packte Cadvan ihre Habseligkeiten zusammen. Maerad schob ihre Leier in die Leinenhülle, und Cadvan verstaute sie. »Wir müssen heute von hier aufbrechen«, verkündete er. »Ich habe beschlossen, meinen Kurs ein wenig zu ändern und einen Ort aufzusuchen, den ich kenne und der an die sechzig Meilen von hier entfernt liegt. Mit forschem Schritt und wenn alles gut verläuft schaffen wir es in etwa einer Woche. Wir brauchen Vorräte, und du benötigst ein paar Kleider. Barden sind dieser Tage nicht überall willkommen, deshalb werden wir uns verkleiden müssen. Aber ich denke, Reisende in Not wird man nicht abweisen.«
    Kurz setzte er ab, als wäre er unsicher. »Ich möchte dich jetzt um einen Gefallen bitten. Maerad, du bist mir ein völliges Rätsel, und meine Mission ist so bedeutend … ich wollte dich fragen, ob ich einen Seelenblick an dir vornehmen darf.« »Einen Seelenblick?«, fragte Maerad. »Was bedeutet das?«
    »Das ist schwierig zu erklären, wenn man es nicht weiß«, gab er zurück. »Aber ich muss hinzufügen, wenn du dich weigerst, werde ich deine Entscheidung respektieren. Ein Seelenblick ist ein Unterfangen, das kein Barde leichtfertig in Angriff nimmt. Es bedeutet, dass ich in dich hineinschauen und sehen möchte, was du bist.« »Oh«, machte Maerad. Sie hatte immer noch keine Ahnung, wovon er redete. Zweifelnd fragte sie: »Tut das weh?«
    »Nun ja, in gewisser Weise schon. Es ist ein wenig so, als würde ich dich ersuchen, all deine Kleider abzulegen und vor mir zu stehen, während ich dich mit einer Lupe genauestens untersuche.«
    Verdutzt starrte Maerad ihn an. Aus Cadvans Augen sprach Offenheit, und in seinem Ansinnen schien keine hinterlistige Absicht mitzuschwingen. Dennoch spürte sie, wie sich Bedenken in ihr regten. »Das klingt, als wolltet Ihr Magie an mir anwenden«, stellte sie argwöhnisch fest. »Vertraut Ihr mir nicht? Ist es das?«
    Er seufzte. »Es ist kein Zauber, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinn. Zumindest würde ich dir nichts antun, ich würde nur einen Blick in dein Inneres werfen.« Maerad schwieg dazu.
    »Es widerstrebt mir, dich darum zu bitten«, fügte Cadvan hinzu. »Ich habe dich in gutem Glauben von jenem Ort mitgenommen, und ich würde dich nicht darum ersuchen, wenn es nur mein Leben wäre, das auf dem Spiel steht.«
    »Was ist, wenn ich nicht zustimme?«, wollte Maerad wissen.
    »Dann werde ich es nicht tun«, antwortete Cadvan. »Und wir setzen unsere Reise fort.« Jäh trat eine unergründliche Miene in sein Gesicht, und er bückte sich, um sein Bündel aufzuheben.
    »Wie habe ich mir das vorzustellen?«
    Cadvan hielt inne.
    »Ich sehe dir in die Augen. Ich blicke in deinen Geist. Das ist alles.«
    »Das ist alles?« Maerad überlegte kurz. Für Cadvan schien dies wichtig zu sein, und sie glaubte nicht, dass er ihr zu nahe treten würde. Falls ihm der Sinn danach stünde, hätte er dafür bereits reichlich Gelegenheit gehabt. »Na schön«, willigte sie schulterzuckend ein. »Wenn Ihr Euch dadurch besser fühlt. Wie gehen wir es an?« »Bist du sicher?«
    »Wollt Ihr es nun oder nicht?«, gab sie zurück.
    Cadvan ließ das Bündel wieder sinken. »Dann stell dich unmittelbar vor mich, wie du es im Kuhstall getan hast. Und leg mir die Hände auf die Schultern.«
    Sie tat, wie ihr geheißen, und legte ihre Hände auf seine Schultern. So standen sie einander gegenüber, und Cadvan blickte ihr in die Augen. Maerad verspürte den plötzlichen Drang zu kichern.
    »Nicht lachen, Maerad«, forderte Cadvan sie leise auf. »Leere deinen Geist.«
    Er sprach Worte in der Hohen Sprache, so schnell, dass Maerad sie nicht verstand. Maerad beschlich der Eindruck, dass sich das Licht um sie herum verfinsterte und sie nur noch Cadvans Augen sehen konnte. Sie waren dunkelblau und von einem inneren Feuer erfüllt, das zunächst kalt wirkte. Dann jedoch erkannte sie, dass es in ihrer Mitte heiß loderte, heiß genug, um zu brennen. Und war das Traurigkeit, die sie darin entdeckte? Eine tiefe Traurigkeit, eine Wunde … ein innig geliebtes Antlitz, das sie beinahe sehen konnte… und etwas anderes, eine Dunkelheit gleich einer Narbe … Doch dann wurde sie plötzlich von Erinnerungen aus ihrem eigenen Leben überwältigt: Erinnerungen, die sie vergessen oder in die Randbereiche ihres Geistes zurückgedrängt hatte. Wie eine Flut schwappten sie über sie hinweg, fast so, als spielte sich

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