Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
Vom Netzwerk:
Hand über die Saiten und schlug einen zarten Akkord an. Die Noten erklangen melodisch und schienen in der Luft zu schweben. Cadvan stieß einen leisen Pfiff aus. »Diese Leier«, sagte er, »hat sie deiner Mutter gehört?«
    Maerad nickte. Nachdenklich drehte Cadvan das Instrument in den Händen herum und fuhr mit den Fingern über die eingeritzte Schrift.
    »Musstest du sie jemals stimmen?«, wollte er wissen. »Ich vermute, du hast die Saiten nie ausgetauscht, oder?«
    »Nein«, bestätigte Maerad. »Hätte ich es tun sollen? Das wusste ich nicht… Mirlad hat nie etwas davon erwähnt…«
    Cadvan lachte unverhofft, wodurch er sie erschreckte. »O Maerad«, sagte er, als er wieder zu Atem gelangte. »Ob du sie hättest bespannen sollen?« Wieder lachte er leise. In seiner Stimme schwang nachgerade greifbare Verwunderung mit. »Dieses Ding ist ein Vermögen wert. Was hätte Gilman wohl getan, hätte er gewusst, dass sich ein solcher Schatz in seiner kleinen Burg verbarg? Diese Leier ist zehn Mal, nein, tausende Male mehr wert als alles andere dort. Solche Leiern werden seit ganzen Zeitaltern nicht mehr hergestellt, seit den Tagen von Afinnil. Dieses Instrument wurde von einem großen Handwerker geschnitzt. Ich kenne diese Schrift überhaupt nicht, und ich bin mit vielen Schriften vertraut, die schon lange in Vergessenheit geraten sind; zweifellos bezeichnet sie den Namen desjenigen, der die Leier hergestellt hat. Instrumente wie diese sind als dhyllisches Gewerk bekannt, und in ihren Bau ist große Macht eingeflossen. Die in den Saiten verankerte Kunst ist längst vergessen. Ich habe über diese Instrumente gelesen, aber noch nie eines gesehen. Man dachte, alle wären verloren gegangen. Was bist du doch für ein Rätsel!« Nach wie vor lächelnd betrachtete er sie.
    Maerad hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte. Sie fühlte sich regelrecht benommen. Ihre bescheidene Leier ein Gegenstand aus einer Legende? Dann streckte Cadvan mit plötzlich ernster Miene einen Arm aus und tätschelte ihre Hand.
    »Wenn wir zusammen reisen wollen, müssen wir Freunde werden«, erklärte er. »Und wir müssen einander vertrauen. Nimm meine Hänseleien nicht ernst. Nichtsdestotrotz müssen wir entscheiden, was wir tun sollen.«
    Maerad blickte unbehaglich auf ihre Hände hinab und schwieg. Sie wusste nicht, was sie zu diesem Mann sagen sollte. Wollte er ihr Böses? Woher sollte sie es wissen? »Auf jeden Fall werden wir nicht gleich aufbrechen«, fuhr Cadvan fort. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin immer noch erschöpft. Außerdem muss ich nachdenken. Hier sind wir vorerst in Sicherheit. Etwas Ruhe wird uns beiden nicht schaden. Vor uns liegt ein langer Weg, ganz gleich, wofür wir uns entscheiden.«
    Er öffnete sein Bündel und holte eine Leier hervor. »Weniger edler Herkunft als die deine, aber edel genug, um mir Gesellschaft zu leisten«, meinte er. »Und mir immer noch treu, meine erste Liebe.« Er schlug einige Akkorde an und stimmte das Instrument, dann entfesselte er einen Schwall von Noten, der unmittelbar in Maerads Herz drang. Es war ein Lied, das sie gut kannte - der Beginn der tragischen Ballade um Andomian und Beruldh, die Mirlad ihr vor vielen Jahren beigebracht hatte. Cadvan begann mit klarer, wundervoller Stimme die Rolle Andomians zu singen.
     
    Sprich zu mir, o schöne Maid,
    sag mir an und weiche nicht,
    welch ein Kummer dich bedräut,
    der aus deinen dunklen Augen spricht ?
     
    Er setzte ab und zupfte die Melodie. Maerad erkannte, dass er auf ihre Erwiderung wartete. Sie hielt ihre eigene Leier immer noch in den Händen und begann, den Wechselgesang zu spielen und den Antwortreim zu singen. Seit Mirlad gestorben war, hatte sie kein Duett mehr gespielt. Zusammen sangen sie die abwechselnden Verse der uralten Ballade. Cadvans Bariton und Maerads Alt erfüllten den Hain mit Musik. Maerad beschlich das sonderbare Gefühl, dass die Bäume ihnen lauschten und sich nach innen neigten, um sie besser zu hören.
     
    Begraben meine Mutter liegt,
    zerstört sind meines Vaters Hallen,
    schwarz die Schar der Raben fliegt
    um die Mauern, die in Staub zerfallen.
    Bleib und heile deinen Schmerz,
    leg ab nun diese Last aus Stein,
    Schöne, mein verborgenes Herz
    sei von diesem Tag auf ewig dein.
    Der Fluch des Karak hält mich hin,
    der meine Brüder hat gebunden,
    jede Freude muss ich fliehn,
    bis ich seinen Ursprung hab gefunden …
     
    Maerad verstummte, geriet plötzlich ins Stocken. Cadvan hörte zu spielen

Weitere Kostenlose Bücher