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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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gegen Maerads Kehle. Sie spürte einen Schnitt; ein Blutrinnsal tropfte ihr den Hals hinab. »Sag es mir, oder das Mädchen stirbt hier und jetzt.«
    Milana stand kalkweiß und reglos da; das Licht in ihr schwand.
    »Du wirst uns ohnehin beide töten«, gab sie nach langem Schweigen nüchtern zurück. »Nein. Ich sage es dir nicht.«
    Maerad schaute flehentlich zu Milana. Würde ihre Mutter sie einfach sterben lassen? Enkir verharrte, als wäre er vorübergehend verunsichert. Dann begann er, leise zu lachen. Maerad bekam eine Gänsehaut.
    »Nein, Milana, ich werde dich nicht töten«, sprach er. »Auch den Jungen will ich nicht töten. Und ich lasse sogar das Mädchen am Leben. Ich kann ein sehr vernünftiger Mensch sein.«
    Milana spuckte auf den Boden. »So viel ist das Wort eines Verräters wert!« »Dich nicht zu töten würde mich belustigen. Das sollte dir Gewissheit geben. Ich könnte aus dem Handel sogar ein paar Münzen herausschlagen.« Er setzte ab. »Und du könntest deine Tochter haben. Die andernfalls langsam und unter grässlichen Schmerzen vor deinen Augen sterben wird.«
    »Nein!«, kreischte Maerad. »Lass nicht zu, dass er mir wehtut!«
    Milanas Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse der Unentschlossenheit. »Gib sie mir zurück!«, schrie sie plötzlich.
    »Sag mir, wo der Junge ist!« Wieder drückte er mit der Klinge zu, und wieder schnitt sie Maerad, die zu weinen anfing. Verzweifelt starrte sie zu ihrer Mutter, von der panischen Angst erfasst, dass Milana es ihm nicht verraten, sie von diesem Mann töten lassen würde.
    Unvermittelt fielen Milanas Züge in sich zusammen. »Er wurde zu den Linar-Höhlen gebracht. Ich weiß nicht, ob er tatsächlich dort ist.« Einen Lidschlag lang verlor sie die Selbstbeherrschung und verbarg das Gesicht in den Händen.
    Ein banger Augenblick der Stille folgte, dann spürte Maerad, wie Enkirs eherner Griff sich löste und sie zu ihrer Mutter gestoßen wurde. Sie stolperte auf Milana zu und umklammerte hemmungslos schluchzend ihre Beine.
    »Siehst du, Milana?«, meinte Enkir mit siegreichem Hochgefühl in der Stimme. »Ich halte mein Wort. Jetzt möchte ich sehen, ob du das deine ebenfalls gehalten hast.« Damit trat er vor und erfasste Milanas Kinn, zwang sie, ihm in die Augen zu blicken. Maerad schaute panisch auf. Was machte er mit ihrer Mutter? Aus Enkirs Augen schössen rote Flammen, und Milana schien sich nicht bewegen zu können. Wie gebannt starrte sie in seine lodernden Augen und zitterte am ganzen Leib. Plötzlich brach sie zusammen, und alles Licht in ihr erlosch. Maerad stand zitternd neben ihr und glotzte den groß gewachsenen Mann mit geweiteten Augen an. Er ragte über Milanas reglosem Körper auf; sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Maerad schenkte er keinerlei Beachtung, als wäre sie gar nicht da.
    »Das soll dir eine Lehre sein, Milana von Pellinor«, verkündete er heftig schnaufend. »So einfach ist es, deine armselige Art zu brechen!« Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und spuckte auf den Boden. »Du wirst eine Sklavin sein. Wenngleich wohl keine besonders gute.« Damit trat er gegen Milanas Körper und lächelte mit solcher Boshaftigkeit, dass Maerad vor Grauen das Gesicht verbarg. In ihren Ohren hörte es sich wie Gebrüll an, ihre Welt begann sich zu drehen, zu zerbrechen, sich zu drehen…
    Ihre Wange drückte gegen kalten Marmor, und jemand strich ihr sanft über die Stirn, sprach ihren Namen. Das Gebrüll verebbte, und Maerad regte sich.
    »Sie bewegt sich«, sagte eine Stimme. Ihr wurde klar, dass sie Cadvan gehörte. Maerad ließ die Augen geschlossen und bemühte sich, wieder zu Sinnen zu kommen. Sie befand sich in der Kristallhalle von Machelinor beim Rat, daran erinnerte sie sich mittlerweile. Das Letzte, was sie wusste, war das, was Ihrer Mutter widerfahren war …
    Enkir, der Oberste Barde von Norloch! Hass überflutete sie wie eine Welle. Verrat, Verrat…
    Wie hatte sie es vergessen können? Die einzige Antwort boten die Qualen, die mit der Erinnerung einhergingen. Deshalb musste das Erlebnis in den hintersten Nischen ihres Geistes versunken sein. Hätte sie zugelassen, dass sie sich daran erinnerte - an das gnadenlose Zerbrechen Milanas, an die Bosheit Enkirs, an ihr eigenes, kindliches Grauen -, wäre sie wahnsinnig geworden. Nun aber wusste sie es, und sie würde deswegen nicht den Verstand verlieren. Maerad ließ den Kopf baumeln und täuschte Besinnungslosigkeit vor. Wie lange war es her, dass sie

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