Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
was sie meinte. Ihr Einwand vermittelte das Gefühl, als hätten die beiden diese Punkte schon bei früheren Zwiegesprächen durchgekaut. »Mein Herz sagt mir, dass dies der rechte Weg ist«, sagte Cadvan. »Die Wege des Lichts gehen oft über einfache Deutungen hinaus, und wir dürfen sie nicht aus übertriebener Vorsicht missachten. Wir dürfen in unserer Angst nicht vergessen, welche Kraft im Vertrauen liegt.«
»Aber Vertrauen ist ein zweischneidiges Schwert«, hielt Silvia dem entgegen. »Und kann zu unweisen Entscheidungen verleiten.«
»Es gab gute Gründe dafür, die alte Vorgangsweise abzuschaffen«, wurden die beiden von Usted unterbrochen, der immer noch verärgert wirkte. »Schlechte Ausbildung, Nachsicht gegenüber verwöhnten Schülern und Schlimmeres. Ich halte es für einen lächerlichen Vorschlag.« Er schnaubte verächtlich. »Seit wann ist Cadvan von Lirigon als großer Lehrmeister bekannt? Zu meinen Lebzeiten ist mir das noch nie zu Ohren gekommen.« Einige andere Barden murmelten zustimmend.
»Und wo sollte sie besseren Unterricht erhalten als in Inneil?«, meldete sich der grün gekleidete Mann zu Wort, dessen Namen Maerad nicht verstanden hatte. »Wir alle kennen die Gefahren unzulänglich vermittelten Bardentums. Junge Barden neigen dazu, sich zu überschätzen und dadurch allerlei Arger heraufzubeschwören. Cadvan sollte das besser als jeder andere wissen. Nein, nein, das können wir nicht gutheißen.« Saliman hatte bisher auf den Tisch gestarrt. Bei dieser Äußerung allerdings schaute er auf. »Es geht nicht an, schlecht über einen unserer bedeutendsten Barden zu sprechen«, mahnte er ruhig. »Entweder vertrauen wir Cadvan von Lirigon oder nicht. Ich persönlich wüsste keinen Grund, weshalb wir jemandem, der sich in Diensten des Lichts derart verdient gemacht hat, nicht vertrauen sollten. Ich glaube, wir sollten auf seine Vorschläge hören.«
Maerad fühlte sich allmählich wie eine Kuh, die auf einem Markt zum Verkauf feilgeboten wurde. Sie war dankbar, als Oron sich ihr zuwandte und sagte: »Maerad, was denkst du?«
Sie überraschte sich selbst, als sie ohne zu zögern antwortete: »Ich hätte Cadvan gern als meinen Lehrer.«
»Und du sagst das aus freien Stücken, ohne Zwang?« »Ja.«
Ein langes Schweigen trat ein. Schließlich meinte Oron langsam: »Ich denke, ich werde den Wunsch gewähren. So ungewöhnlich es sein mag, sagt mir doch mein Gefühl, dass es richtig ist. Hier ist mehr am Werk, als irgendjemand von uns versteht, und in solchen Zeiten wäre es leichtfertig, den Vorschlägen eines Barden wie Cadvan oder der freien Entscheidung von Maerad keine Beachtung zu schenken. Ich sage dies in vollem Bewusstsein um sowohl die Gefahren als auch die Vorzüge des Vertrauens. Nun denn, Cadvan, bist du willens, die Pflichten eines Lehrers zu übernehmen, und schwörst du, stets zum Wohl von Maerads Gabe und des Gleichgewichts zu handeln, ihr die drei Künste nach deinem besten Wissen beizubringen und niemals das Vertrauen zu verraten, das sie in dich setzt?«
»Ich schwöre«, gelobte Cadvan.
»So wird dies denn von den Barden von Annar bezeugt und ist bindend, bis Maerad in den Rang einer vollwertigen Bardin erhoben wird. Danke für eure Zeit, Maerad von Pellinor und Cadvan von Lirigon. Wir treffen uns später.«
Mehrere Barden, die sich zuvor gegen Cadvan ausgesprochen hatten, saßen mit offenen Mündern am Tisch, und Maerad musste unwillkürlich bewundern, wie nüchtern Oron die Angelegenheit erledigt hatte. Sie erkannte, dass Cadvan und sie damit entlassen waren, und verließ mit ihm den Ratssaal. Sobald die schwere Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, lachte der Barde.
»Tut mir leid, dass ich dich nicht vorgewarnt habe, Maerad, aber das konnte ich nicht. Es war davon auszugehen, dass es nicht einfach werden würde, aber wir haben bekommen, was wir wollten.«
»Was wir wollten?«
»Ja. Du musstest mich aus tiefstem Herzen und freien Stücken zu deinem Lehrer erwählen. Ich habe heute Vormittag mit Oron gesprochen, und so lauteten ihre Bedingungen. Ohne deine Zustimmung ging es nicht. Silvia wird nicht gut auf mich zu sprechen sein. Sie findet, dass du hierbleiben solltest.«
Maerad verspürte einen Anflug plötzlichen Bedauerns. »Ihr meint, das können wir nicht?«
»Ich kann nicht. Und du musst mich begleiten, wenn du meine Schülerin bist.« Rasch blickte Cadvan sie an. »Ich glaube, wir sollten uns unterhalten. Nach all diesen geschäftlichen Belangen bin
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