Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
geprügelt werden konnte, war durch ein neues Selbstvertrauen ersetzt worden. Sie scherzte und lachte mit den anderen Barden, als hätte sie bereits ihr ganzes Leben hier verbracht.
Während sie von den Leckereien naschten und an Malgorns vortrefflichem Likör nippten, kehrte die Unterhaltung zu den Themen des Konklaves zurück. Die Neuigkeiten, so schien es, verhießen allesamt nichts Gutes. Das Ansehen der Schulen hatte einen bislang ungekannten Tiefstand erreicht und schürte an manchen Orten unverhohlenen Groll. Sichtungen von Werwesen und anderen Kreaturen der Finsternis standen mittlerweile beinahe auf der Tagesordnung, selbst innerhalb der Grenzen Annars; schlimmer noch, eine todbringende Krankheit, die zu heilen alle außer den begabtesten Barden machtlos waren, breitete sich in zahlreichen Weilern und Dörfern im Westen aus. Zudem herrschte nach den Ernteausfällen im Vorjahr und einem harten Winter in einigen westlichen Königreichen die Angst vor einer Hungersnot, die in den am schlimmsten betroffenen Gegenden zu Toten und Gewalttaten der Verzweiflung führen könnte.
»Aber das ist noch gar nicht, was mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet«, sagte Malgorn. »Am bedenklichsten finde ich die Geschichten über das Versagen der Hohen Sprache bei der Frühjahrswende und beim Erntetag. Sogar Thurl sagt, dass die Worte des Erschaffens, als er sie dieses Jahr sprach, einfach nicht in ihm leben wollten. Es gibt zu viele Berichte dieser Art, um sie einfach unfähigen Barden oder schlechter Ausbildung zuzuschreiben.« »Ja, mein Freund, im Herzen der Dinge ist tatsächlich etwas nicht in Ordnung«, pflichtete Cadvan ihm traurig bei. »Und ich glaube, es hat keinen Namen.« Silvia blickte zu Boden und biss sich auf die Lippe. »Ich habe immer gebetet, nie in solchen Zeiten leben zu müssen«, bekannte sie. »Und dass ich mein Dasein in Frieden und mit üppigen Ernten verbringen dürfte.«
»Das haben wir alle und alle, die in finsteren Zeiten leben«, gab Cadvan zurück. »Aber es sollte nicht sein.«
»Trotz allem«, meldete Dernhil sich zu Wort, »es heißt: Furcht ist nur ein Teil von Umsicht.«
»Ebenso sagt man, dass Furcht ein waches Ohr hat«, hielt Indik dem entgegen. »Die Schwarzen Hexer haben ihre Festung in Den Raven errichtet und bedrängen Suderain seit mittlerweile fast drei Jahrhunderten. Sie haben ihre eigenen Heerführer und Hauptleute; zu behaupten, der Namenlose erhebe sich wieder, scheint mir etwas weit hergeholt.«
»Vielleicht«, entgegnete Cadvan. »Dennoch geht es nicht an, solche Befürchtungen einfach von der Hand zu weisen.«
Darauf hatte niemand eine Antwort. Nachdenkliches Schweigen senkte sich über die Gruppe.
»Was erhoffst du dir in Norloch, Cadvan?«, erkundigte sich Kelia. Mit einem leichten Stirnrunzeln zwischen den dunklen Brauen beugte sie sich vor. »Bist du in letzter Zeit dort gewesen?«
»Dieses Jahr noch nicht«, erwiderte Cadvan. »Aber ich muss dorthin; ich muss dem Obersten Zirkel Bericht erstatten. Enkir hat mich nach Norden geschickt, um Neuigkeiten über die Finsternis in Erfahrung zu bringen, daher ist es meine Pflicht, ihm eine angemessene Ernte zu bringen.« Er sprach in leicht spöttischem Tonfall. »Aber vorwiegend, was mir noch wichtiger ist, möchte ich mit Nelac von Lirigon sprechen.«
»Er muss inzwischen sehr betagt sein«, meinte Kelia. »Ich selbst bin ihm nie begegnet, obwohl ich natürlich einige seiner Arbeiten gelesen habe. Die seltsamen Blumen des Gis ist ein kleines Meisterwerk.« Einige Barden lächelten bei Kelias Erwähnung ihrer Leidenschaft. »Aber ich hätte mich klarer ausdrücken sollen: Was erhoffst du dir für Maerad?«
Maerad spitzte die Ohren.
»Maerad muss erst noch die Hohe Sprache erlangen«, antwortete Cadvan. »Wie du weißt, ist das spät für einen Barden, aber auch nicht beispiellos; es heißt, Callihal von Desor habe die Hohe Sprache erst erlangt, als er fast neunzehn war. Aber natürlich kann sie bis dahin nicht unter die Barden aufgenommen werden, und ihr Name wird sich nicht offenbaren. Ich denke, Nelac wird besser als jeder andere in Annar in der Lage sein, den für Maerad besten Kurs vorzuschlagen.«
»Besser als jeder hier?« Kelia zog die Augenbrauen hoch und gab sich keine Mühe, ihre Zweifel zu verbergen.
»Er ist ungemein belesen in einigen Belangen der Überlieferungen, über die ich ihn um Rat fragen möchte«, gab Cadvan zurück.
»Wozu brauchst du Überlieferungen?«, hakte sie nach. »Hier handelt
Weitere Kostenlose Bücher