Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Schnee.« Maerad, die bereits spürte, wie ihr in der warmen Kammer Schweiß über die Stirn rann, nickte nur. Sie hatte nicht gewusst, dass Reisen im Norden ein dermaßen aufwändiges Unterfangen darstellten, aber die Ernsthaftigkeit, mit der Dharin sprach, beeindruckte sie zutiefst.
»Weißt du, Mara, die richtige Kleidung kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen«, sagte er, als sie darum flehte, die Gewänder ausziehen zu dürfen. »Es gibt fast nichts Wichtigeres.«
»Das Problem ist nur, dass ich grade vor Hitze umkomme«, begehrte sie auf. »Ich bin noch nicht draußen in Schnee und Eis!«
Dharin fand offenbar, dass sie die Angelegenheit zu sehr auf die leichte Schulter nahm, dennoch gestattete er ihr zögerlich, die Pelze abzulegen. »Du wirst schon noch sehen, und dann wirst du dankbar sein, dass du diese Kleidung hast«, mahnte er sie in ernstem Tonfall.
»Ich weiß, Dharin«, räumte Maerad mit geröteten Zügen ein, als sie den Mantel dankbar aufs Bett warf. »Aber im Augenblick ist mir einfach nur heiß.« An diesem Morgen nun zog sie alles bis auf den Mantel an, vergewisserte sich, dass sich all ihre Habseligkeiten in ihrem Bündel befanden, und begab sich auf die Suche nach Dharin. Wie sie erwartet hatte, hielt er sich in den Hundestallungen auf. Der Schlitten stand bereits im Freien, und er überprüfte gerade die Pfoten der Hunde, indem er sie nacheinander anhob und sorgfältig in Augenschein nahm. Als Maerad eintraf, schaute er auf und lächelte. »Also geht es los?«, fragte er.
»Jetzt gleich?«
»Warum nicht?«, erwiderte Dharin grinsend. »Ich muss nur noch die Hunde anschirren, dann können wir aufbrechen.«
Maerad war formelle Abschiede gewohnt und zeigte sich etwas erstaunt. »Ich habe den Mantel nicht dabei«, warf sie ein. »Und mein Bündel ist noch in meiner Kammer. Außerdem muss ich mich von Sirkana verabschieden und ihr danken.«
Dharin tätschelte den Hund, den er soeben überprüft hatte, und schickte ihn zurück zu den anderen. »Ich bin hier fertig«, sagte er. »Ich begleite dich.« Gemeinsam kehrten sie zu Sirkanas Haus zurück. Maerad holte ihre Sachen, dann ging sie zusammen mit Dharin zu Sirkanas Gemächern. Allerdings hielt Sirkana sich weder dort noch in der Halle auf; nach einigem Herumfragen fanden sie die hochgewachsene Frau in einem der Stollen des Hügels, wo sie die Lebensmittellager überprüfte.
»Wir sind gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen«, erklärte Dharin ansatzlos. »Es ist ein guter Tag zum Reisen.«
»Ich dachte mir schon, dass ihr heute aufbrechen würdet.« Stumm musterte Sirkana die beiden eine Weile, als wollte sie abwägen, wie bereit sie für die Reise waren. »Nun denn, Dharin, Sohn meiner Schwester, kennst du die Schilderung darüber, wie man die Labarok-Inseln findet?«
Grinsend tippte sich Dharin an die Stirn. »Alles hier drin«, erwiderte er. »Ich verirre mich schon nicht.«
»Gut.« Sie bedachte ihn mit einem langen, eingehenden Blick, den Maerad als traurig empfand, dann umarmte sie ihn. »Gute Reise, und geht keine Wagnisse ein. Ihr werdet auch so reichlich Gefahren begegnen.« Damit küsste sie ihn auf beide Wangen und wandte sich Maerad zu.
»Einen besseren Führer hättest du nicht finden können«, sagte sie. »Er mag jung sein, aber er besitzt weitreichende Kenntnisse.«
»Ich weiß«, gab Maerad zurück. »Und ich bin dankbar. Ich danke dir für deine Großzügigkeit mir gegenüber und für die herzliche Aufnahme.«
Sirkana streichelte ihr über die Wange und küsste sie. »Geh jetzt. Und mögest du finden, was du suchst.« Aufrecht und stolz wandte sie sich wieder ihrer unterbrochenen Aufgabe zu. Maerad glaubte, unter ihrer Strenge einen tief sitzenden Kummer zu fühlen. Vom Lager aus kehrten Maerad und Dharin geradewegs zu den Hunden zurück. Aus sicherer Entfernung beobachtete Maerad, wie Dharin sechs von ihnen geschickt anschirrte. »Die anderen können hinterherlaufen, bis wir Murask hinter uns gelassen haben«, erklärte er, ohne aufzuschauen. »Wenn ich sie alle anschirre, passen sie nicht durch den Tunnel. Bis dahin können wir neben dem Schlitten gehen.«
Über einen anderen Tunnel gelangten sie unmittelbar zu dem breiten Durchgang, über den Maerad die Siedlung betreten hatte. Diesmal führte sie ein Torwächter, der am inneren Ende des Tunnels wohnte, den gewundenen Zugang entlang. In komischem Gegensatz zu dem anderen Torwächter war dieser Mann noch größer als Dharin und spindeldürr.
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