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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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entsandte einen schwachen Ruf.
    Nichts.
    Wenn er sich nicht in Bewegung setzte, würde jemand über ihn stolpern, und er würde gefasst und umgebracht. Aber wohin sollte er sich wenden?
    Verbissen begann er, von Dagra wegzukriechen, um aus dem Weg der marschierenden Soldaten zu gelangen. Sein einziger Gedanke galt Irc. Die Krähe musste tot sein. Irc war tot, und er war alleine auf einer Ebene gleich einem Albtraum, bereits ein Geist, ein Spinnenwesen, kaum noch menschlich. Und dennoch wollte er nicht sterben. Hem kroch weiter.
    Das ist die falsche Richtung, Kieselhirn.
    Die Stimme erscholl in seinem Kopf so klar wie die Strophe eines Liedes. Benomme n schaute Hem auf und spähte durch die Dunkelheit.
    Keine zehn Schritte entfernt kauerte Irc auf einem Felsdorn. Etwas baumelte von seinem Schnabel.
    Hem erstarrte vor Schreck. Dann rappelte er sich taumelnd auf die Beine und rannte auf Irc zu, der sich von seinem Platz in die Luft erhob und auf Hem zuschwebte. Der Junge fing den Vogel auf, nahm die große, schwerfällige Krähe in die Arme, drückte die Wange gegen Ircs Gefieder, das dreckig war und versengt roch. Es gab keine Worte für das, was er empfand.
    Gurrend schmiegte Irc sich an ihn, rieb den Kopf gegen Hems Schläfe. Dann jedoch schlug der Vogel mit den Flügeln und verlangte, losgelassen zu werden. Hem öffnete die Arme, und Irc kauerte sich auf seine Schulter und sprach ihm ins Ohr. Wir müssen uns in Bewegung setzen, mein Freund, sonst werden wir sterben. Wohin?, fragte Hem verzweifelt.
    Weg von hier. Dann denken wir darüber nach, was wir weiter tun. Und nimm das hier, ich habe genug davon, es zu tragen.
    Irc ließ den Gegenstand in Hems Handfläche fallen. Es war ein Schmuckstück, das die Krähe aufgelesen haben musste, ein kleines Ding aus Messing, das an einer feingliedrigen Stahlkette hing. Hem verspürte den plötzlichen, widersinnigen Drang zu lachen: Selbst hier, inmitten wüster Zerstörung und Verheerung, vergaß Irc nicht, auf Beute zu achten. Hem stülpte sich die Kette über den Kopf. Der Anhänger fühlte sich an seiner Haut eigenartig heiß und schwer an. Der junge streichelte Ircs Hals. Oh, mein Freund, ich bin so froh, dich zu sehen. Ich dachte, du wärst tot, sagte er. Es war knapp, räumte Irc ein. Aber davon erzähle ich dir später. Jetzt müssen wir los. Die Soldaten kommen.
    Der Regen ließ allmählich nach, und als die Wolken sich verzogen, kam das spärliche Licht eines düsteren Mondes zum Vorschein. Hem schaute auf die Überreste der Stadt zurück: Es sah aus, als hätte jemand einen Brocken aus der Mitte gebissen. Den Ehernen Turm säumte ein fahler Schimmer; das Bauwerk wirkte unversehrt, doch alles davor schien dem Erdboden gleichgemacht worden zu sein. Halbherzig fragte er sich, was geschehen sein mochte, aber er war zu müde, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Irc trieb ihn weiter, geleitete ihn von den Soldaten weg, in die er andernfalls in seiner Erschöpfung geradewegs hineingelaufen wäre. Irgendwie erneuerte Hem seinen Glimmerschleier, irgendwie stapfte er immer weiter, obwohl seine Beine sich anfühlten, als gehörten sie ihm nicht mehr. Hätte Irc ihn nicht ständig bedrängt, wäre er vermutlich im Gehen eingeschlafen.
    Die Krähe ließ ihn erst ausruhen, als ein verwaschener Sonnenaufgang die graue Landschaft aufzuhellen begann. Hem schaute auf und stellte fest, dass sie eine überraschend weite Strecke zurückgelegt hatten. Er war mindestens eine Stunde lang bergab geschlurft und über Geröllhänge gewankt, die ihm die Knöchel aufgeschürft und ihn mehrmals zum Stolpern gebracht hatten. Sie hatten die Hochebene, auf der Dagra lag, verlassen und befanden sich in tieferen Gefilden nahe den Ufern des schwarzen Sees,dessen Wogen düster auf dunklen Sand schwappten. Hem war zu ausgelaugt, um in seinem Bündel nach Essen zu stöbern. Er kroch einfach unter ein Gebüsch und legte sich schlafen. Ihm war kalt, er war völlig durchnässt und der Boden steinig, doch Gedanken an Behaglichkeit hatte er längst hinter sich gelassen. Alles, wonach er sich sehnte, war, nicht mehr laufen zu müssen. Irc kam neben ihn und schmiegte sich an seinen Hals.
    Stunden später weckte ihn schmerzlicher Hunger. Irc war weit und breit nicht zu sehen. Hem fühlte sich so steif und wund, dass er sich kaum bewegen konnte. Seine Arme und Beine bestanden nur noch aus Abschürfungen und blauen Flecken. Er nahm seine kargen Vorräte in Augenschein - einen Streifen getrocknetes Fleisch und

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