Die Perfekte Braut
Beedle hatte zwei Briefe. Sollen wir sie lesen, während wir warten?« Sie griff nach ihrer Tasche und nahm die Umschläge heraus. »Fast habe ich Angst, sie zu öffnen.«
Sie schlitzte die Briefe mit einem Onyx-Papiermesser auf. »Dieser ist ganz direkt. Jemand wünscht Bekanntschaft mit Freunden der Dichtkunst. Eigentlich keine Anfrage in Sachen Eheanbahnung, da die Schreiberin einen poetischen Zirkel gründen möchte.« Sie blickte achselzuckend auf. »Was meinst du? Sollen wir eine Liste zusammenstellen?«
»Ich wüsste nicht, was dagegenspräche«, erwiderte ihre Schwester. »Wir stellen Kontakte zwischen gleich gesinnten Leuten her. Mir erscheint das völlig harmlos.«
Chastity nickte und warf den Brief auf den Schreibtisch. Dann las sie den zweiten und reichte ihn schweigend an Prudence weiter.
Betreff: The Mayfair Lady
Eine interessierte Partei verfügt über Informationen von beträchtlichem Vorteil für die Eigner und Herausgeber von The Mayfair Lady hinsichtlich der laufenden Verleumdungsklage. Es sind Beweise aufgetaucht, die Ihnen bei der Verteidigung von Nutzen sein werden. Ein privates Treffen an einem Ort, dessen Wahl der Herausgeher trifft, ist erforderlich. Die Information, die wir besitzen, ist von größter Bedeutung und muss rechtzeitig übermittelt werden. Bitte wenden Sie sich unverzüglich an obige Adresse. Wir bitten Sie, in uns aufrichtige Bewunderer und Befürworter von The Mayfair Lady zu sehen.
Prudence blickte auf. »Eine Fälle.« »Und wenn es keine ist?«
»Es muss eine sein.« Sie kaute an einem Fingernagel. »Das Schreiben ist anonym.«
»So wie wir«, wandte Chastity ein. »Wenn es ein Freund oder Exfreund von Barclay ist, wird er sich nicht offenbaren wollen. Angenommen, er verfügt über Beweise für Barclays Betrug, dann war er vielleicht wie Vater ein Opfer. Können wir es uns leisten, den Vorschlag einfach abzutun?«
Prudence riss das Stückchen Nagel ab, das sie mit den Zähnen losgebissen hatte, und warf es ins Feuer. »Ich weiß nicht, Chas.«
»Du könntest das Schreiben Gideon zeigen.« Prudence nickte. »Ich treffe mich heute mit ihm.« Sie faltete den Briefbogen und steckte ihn in den Umschlag.
»Ach, da ist ja Con«, sagte Chastity, als der unverkennbare Schritt ihrer Schwester auf der Treppe zu hören war.
Constance trat ein und sagte nach einem Blick auf ihre Schwestern: »Wir müssen zum Lunch ausgehen.«
»Die beste Idee des Tages«, stimmte Prudence bei. »Aber lies zuerst das hier. Ich muss die Schuhe wechseln, sie sind total durchweicht.« Sie deutete auf die Papiere auf dem Sekretär. »Ach, und den Brief. Chas, gib ihn ihr.«
Chastity reichte Con das Schreiben. »Wohin gehen wir essen?«
»Ins Swan and Edgar?«, schlug Constance vor, die bereits die Papiere überflog.
»Perfekt«, lobte Prudence auf dem Weg zur Tür. »Dort isst man gut zu Mittag, und außerdem möchte ich mir einen Paisley-Schal kaufen, der zu meinem graugrünen Abendkleid passt.«
Constance blickte kurz auf. »Dann triffst du Sir Gideon heute Abend?«
»Zufällig. Aber sobald du fertig gelesen hast, wirst du sehen, dass eine geschäftliche Verabredung dringend notwendig ist«, erklärte ihre Schwester. »Ich werde Jenkins Bescheid geben, dass wir zum Essen nicht da sind.«
»Geschäftlich?«, murmelte Constance mit einer hochgezogenen Augenbraue, als die Tür hinter Prudence ins Schloss fiel.
»Ich bezweifle, dass Prue momentan die Zeit oder auch das Interesse, für etwas anderes hat«, erklärte Chastity mit ungewöhnlicher Schärfe. »Wenn du gelesen hättest, was du in der Hand hältst, wäre dir das klar.«
Constances Brauen wanderten fast bis zum Haaransatz, doch erwiderte sie nichts. Ihre kleine Schwester musste einen Grund haben, so unwirsch zu sein. Als sie zu Ende gelesen hatte, verstand sie warum.
»Barclay besitzt das Pfandrecht«, hauchte sie fassungslos.
Chastity nickte.
16
Prudence stieg in das Automobil, als dieses pünktlich um sechs Uhr abends vorfuhr, und nahm dankbar die wasserdicht imprägnierte Decke an, die der Chauffeur ihr reichte. Ebenso dankbar war sie für den Seitenschutz aus Leder, den er entrollt hatte. Als sie das Haus am Pall Mall Place erreicht hatten, öffnete sich die Haustür, kau m dass sie unter dem Schutz des Schirmes, den der Chauffeur hielt, die oberste Stufe erreicht hatte.
»Ach, Sie hatten mit der Zeit Recht, Milton«, erklärte eine hohe Kinderstimme. »Sie waren genau eine Dreiviertelstunde unterwegs.«
»Wenn es keine
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