Die Perfekte Braut
konnte ja nicht ewig warten, um Constance ins Bild zu setzen.
»Ja«, sagte Prudence. »Sehr interessante Korrespondenz.«
Constances Miene war ernst. »Was gibt es?«, fragte sie erneut.
Prudence ging an den Sekretär, auf dem ein Berg Papier zu Boden zu gleiten drohte. »Du erinnerst dich doch gewiss an deinen Artikel über den Earl of Barclay?«
Auch Constance stand auf. »Ja. Wie könnte ich ihn vergessen?« Ihr Ton verriet Widerstreben. »Ich wusste, er würde Aufsehen erregen... das wussten wir alle.«
»Er verklagt uns - oder besser gesagt The Mayfair Lady - wegen Verleumdung«, sagte Chastity und erhob sich.
»Aber das kann er nicht! Alles entspricht der Wahrheit und kann bewiesen werden«, erwiderte Constance.
»Hier ist eine Kopie des Schreibens, das von seinem Anwalt gekommen ist.« Prudence reichte ihr den Brief, den sie gewissenhaft abgeschrieben hatte, ehe sie das Original Sir Gideons Mitarbeiter überließ.
»Er hat gegen uns nichts in der Hand«, wandte Constance ein. »Ich kenne die Namen der drei Frauen, die er verführt und verlassen hat.«
»Und die Pall Mall Gazette hat den Fall wie erhofft aufgegriffen«, fuhr Prudence fort. »Ihr Artikel ist eben erst erschienen. Damit wird Barclay öffentlich angeprangert.« Sie beugte sich über die Schulter ihrer Schwester und deutete mit dem Zeigefinger auf den Absatz am Ende des Briefes. »Ich glaube, hier liegt die eigentliche Schwierigkeit.«
Constance las die bezeichnete Stelle. »O Gott«, murmelte sie. »Die finanziellen Machenschaften... das hätte ich nicht bringen sollen. Handfeste Beweise hatte ich ja nicht, und doch weiß ich, dass es stimmt.« Sie stützte vor dem Mund die Finger schräg gegeneinander und blickte ihre Schwestern an. »Es tut mir ja so Leid.«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Prudence, nahm ihre Brille ab und putzte eine trübe Stelle mit ihrem Taschentuch. »Chas und ich stehen hinter deinem Artikel. Wir wissen, dass Barclay Spielschulden nicht beglichen hat, und wir wissen, dass etliche seiner finanziellen Transaktionen fragwürdig sind.« Sie setzte die Brille wieder auf.
»Es fehlen die Beweise«, sagte Constance. »Ich habe mich hinreißen lassen, als ich seine Frauengeschichten aufdeckte; ich war der Meinung, ich könnte auch seine Betrügereien anprangern, da niemand sie in Frage stellen würde, weil ja alles andere unbestritten ist.«
»Nun, er hat es bestritten«, sagte Prudence tonlos. Sie schob die Brille mit dem Zeigefinger den Nasenrücken hinauf. »Offenbar glaubt er, dass er, wenn er in diesem Punkt mit einer Verleumdungsklage Erfolg hat, sich auch gegen die anderen Anschuldigungen verwahren kann. Und dann wird er gegen die Pall Mall Gazette vorgehen. Nach einem Triumph vor Gericht wird niemand mehr es wagen, über seine sexuellen Verfehlungen auch nur zu flüstern.«
Constance warf das Schreiben angewidert auf den Schreibtisch. »Habt ihr irgendeine Idee?«
»Wir haben die Hebel schon in Bewegung gesetzt«, sagte Prudence und berichtete von Sir Gideon Malvern. »Heute Morgen brachte Amelia Franklin die Nachricht, dass er uns kommenden Freitag um vier sehen möchte«, schloss sie. »Ich wollte ihm im jetzigen Stadium unsere Adresse nicht geben und habe daher Amelia und Henry als Kontaktpersonen benannt.«
Constance nickte. »Sicher hatten sie nichts dagegen.«
»Nein, ganz im Gegenteil. Amelia bietet sich immer wieder als Hilfe bei unserer Zeitung an.«
Wieder nickte Constance. »Dann können wir nicht viel mehr tun, als ihn aufsuchen. Möchte wissen, ob Max ihn kennt. Als Kronanwalt muss er sehr teuer sein.«
»Dieser Gedanke ist uns bereits gekommen«, entgegnete Prudence düster. »Er sagte schon, dass sein Beratungshonorar fünfzig Guineen beträgt. Aber davon abgesehen, wie sollen wir unsere Namen aus der Sache heraushalten? Barclay kann The Mayfair Lady verklagen, aber jemand wird wissen wollen, wer tatsächlich hinter dem so genannten verleumderischen Artikel steckt.«
Auf diese wahre Erkenntnis hin ließen sich ihre Schwestern mit der Antwort Zeit.
Erst als die Haustür schwer ins Schloss fiel, brachen sie ihr Schweigen. »Vater«, sagte Chastity. »Er wird sich sehr freuen, dich zu sehen, Con.« Ihr Ton war ein wenig matt.
»Ich nehme an, dass er in der Sache ganz auf Barclays Seite steht?«, sagte Constance weder fragend noch erstaunt, als sie zur Tür ging. »Ich laufe hinunter, um ihn zu begrüßen.« Sie hatte gerade den oberen Treppenabsatz erreicht, als Lord Duncan den Fuß
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