Die Perfekte Braut
Agamemnon geopfert, um für die Fahrt nach Troja günstige Winde zu erflehen?« Sie las den Brief. »Ach, jetzt verstehe ich. Du glaubst, die Schreiberin ist Lady Northrop«, sagte sie, als sie fertig war. »Sie pflegt ihre Konversation mit den unpassendsten Anspielungen aus der griechischen Mythologie zu spicken.«
»Klingt das nicht ganz nach ihr? Vor vier Jahren verwitwet, um nicht zu sagen: geopfert, in der Blüte ihrer Jahre... noch nicht bereit, sich mit einer Zukunft ohne Liebe abzufinden...«
»Womit sie natürlich ohne Sex meint«, unterbrach Prudence Chastity. »Und sieh doch, wie sie sich selbst beschreibt. Reich, brünett, braune Augen, vollschlank, mit unfehlbarem Geschmack in punkto Kleidung, auf Männer attraktiv wirkend. Ist das nicht bis aufs i-Tüpfelchen Dottie Northrop? Vom Geschmack einmal abgesehen«, setzte sie mit der Autorität einer Frau hinzu, die sich in diesem Punkt über alle Zweifel erhaben weiß. »Darüber lässt sich streiten.«
»Sie ist gewiss keine, die mit ihren Reizen geizt«, pflichtete Constance ihr bei. »Und damit ist sie reich gesegnet.«
»Und sie könnte koketter nicht sein«, setzte Chastity hinzu.
»Warum meint sie dann, Hilfe zu benötigen, um einen passenden Ehemann zu finden? Sie zieht doch Männer geradezu magnetisch an.« Constance stand auf, um sich vom Tablett auf dem Sideboard Kaffee nachzugießen.
»Die Männer, die sie anzieht, eignen sich nicht als Ehemänner«, wandte Prudence ein.
»Aber wen kennen wir und sie nicht, mit dem wir sie zusammenbringen könnten?«
»Das müssen wir uns überlegen. Und wenn uns ein paar Möglichkeiten eingefallen sind, können wir sie an einem Besuchsnachmittag miteinander bekannt machen wie Millicent und Anonymus.«
»Wir können ja immer noch vorschlagen, ihr Dekolletee zu mäßigen und mit Parfüm und Schmuck sparsamer umzugehen«, meinte Chastity. »Wir könnten es so vorbringen wie einen allgemeinen Rat, den wir allen unseren Klientinnen geben.«
»Das überlassen wir dir, Chas. Taktvolle Ratschläge liegen ganz auf deiner Linie. Aber eines wissen wir: Dottie kann sich den Finderlohn leisten.« Prudence wandte sich um, als an die Tür geklopft wurde. »Herein.«
Jenkins öffnete. »Mr. Ensor ist bei Lord Duncan, meine Damen. Sie sollen zu den Herren in den Salon kommen. Es wird Champagner kredenzt.«
»Danke. Wir kommen gleich.« Constance prüfte ihre Erscheinung im Spiegel über dem Kamin und steckte eine lose Strähne in die kunstvoll getürmte rötliche Haarpracht.
»Dein Äußeres im Spiegel zu kontrollieren sieht dir so gar nicht ähnlich, Con«, bemerkte Prudence spitzbübisch lächelnd. »Die Ehe hat dich eindeutig verändert.«
»Draußen war es windig«, erklärte Constance mit gespieltem Ernst. »Als ich ausstieg, traf mich ein Windstoß.«
Lachend gingen sie hinunter. Lord Duncans erhobene Stimme war schon zu hören, als sie die Halle durchquerten und sich dem Salon näherten. Sie wechselten verständnisinnige Blicke. Seine Lordschaft machte seiner Entrüstung über die Verleumdung seines Freundes energisch Luft. Das Tempo des Monologs ließ den Schluss zu, dass sein Schwiegersohn sich jeglicher Antwort enthielt.
»Ach, verflixt«, murmelte Constance. »Sicher hat er Max den
Artikel gezeigt, ohne dass ich Gelegenheit hatte, ihn darauf vorzubereiten.« Sie schluckte leicht, straffte die Schultern und öffnete die Tür zum Salon. »Du kommst früh, Max. Zwei Stunden, hattest du gesagt. Hast du den Premierminister gesprochen?« Ihr Blick schoss zum Tisch zwischen den zwei Männern. Sowohl die Pall Mall Gazette als The Mayfair Lady lagen da; die Seiten mit den belastenden Artikeln waren aufgeschlagen.
Max folgte ihrem Blick, und als er sie ansah, war seine Miene nicht die eines liebenden Ehemannes. »Ja, ich habe mit ihm gesprochen«, antwortete er knapp. Seine Schwägerinnen begrüßte er mit mehr Wärme, wenngleich auch da eine gewisse Zurückhaltung spürbar war, die er im Umgang mit ihnen sonst nicht an den Tag legte.
»Gerade eben habe ich Ensor von dieser schändlichen Sache berichtet«, donnerte Lord Duncan, auf die Zeitungen deutend. »Sollte ich je dahinter kommen, wer diesen Mist produziert hat, gehe ich mit der Peitsche hin und prügle ihm die Seele aus dem Leib.«
»Das kann man Ihnen nicht verdenken, Sir«, sagte Max trocken und warf seiner Frau wieder einen Blick zu, dem Constance jedoch ruhig standhielt.
»Nun, Schluss damit. Ach, Jenkins, Sie bringen den Champagner. Aber warum
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