Die Perserinnen - Babylon 323
sieh nicht zurück, lass dir nichts anmerken. Du hast für uns
getan, was du konntest. Möge Ahura Mazda es dir vergelten!“
Sie warteten, bis der Wagen fast auf ihrer Höhe war.
„Jetzt!“, rief Damaspia und rannte mit Paruschjati auf die Straße. Genau vor
dem Gespann warfen sie sich zu Boden. Paruschjati hörte, wie der Wagenlenker
schrie und mit der Peitsche knallte. Unmittelbar vor ihnen kamen die Pferde zum
Stehen. Paruschjati hob vorsichtig den Kopf und starrte auf Hufe, die unruhig
vor ihr auf dem Boden stampften.
„Was ist los?“, brüllte ein Offizier, der in klirrender
Rüstung heranpreschte. „Warum hältst du an?“
„Bettlerinnen!“, schrie der Wagenlenker zurück und zeigte
mit seiner Peitsche auf die beiden abgerissenen Gestalten, die vor dem Gespann
auf der Straße lagen und den Weg versperrten. „Verdammtes Pack!“
Damaspia hob den Kopf und begann, so laut sie konnte, zu
rufen: „Ich bin Damaspia, die Mutter des verstorbenen Großkönigs Arescha! Im
Namen Ahura Mazdas und der anderen Götter flehe ich die Mutter des neuen
Großkönigs um Schutz an!“
Dann warf sie sich wieder flach auf den Boden, und
Paruschjati tat das Gleiche, wie man es ihr eingeschärft hatte. Fest
entschlossen, sich auf keinen Fall von der Stelle zu rühren, presste sie ihr
Gesicht in den Staub, Mund und Augen fest zugedrückt, während um sie herum
Geschrei und Geschimpfe zu hören waren.
Paruschjati drückte noch immer ihr Gesicht in den Schmutz,
als eine Stimme sagte: „Ihr seid am Leben! Darauf haben wir nicht mehr zu
hoffen gewagt.“ Die Stimme war tief und dunkel für die einer Frau, aber
freundlich. Also wagte es Paruschjati, die Augen zu öffnen und den Kopf zu
heben. Eine alte Frau mit weißen Haaren, gekleidet in ein kostbares Gewand,
kniete neben ihnen im Staub, die Hand auf Damaspias Schulter. „Steh auf und
steig in meinen Wagen! Du und deine Tochter sollt alle Ehren erhalten, die euch
als Verwandten des verstorbenen Großkönigs zustehen. Ich bin Sissingambri, die
Mutter des Großkönigs Darajavahusch.“
Damaspia richtete sich auf, bis sie im Staub der Straße
kniete, schmutzig und in das Kleid einer Bettlerin gehüllt. Sie streckte die
Arme aus und hob Paruschjati auf die Füße.
„Paruschjati, höre auf das, was ich dir nun sage, und
vergiss es nie! Du weißt, was dein Name bedeutet: ‚die, die viel Glück hat‘.
Und du bist wirklich vom Glück gesegnet: Zweimal schon bist du dem sicheren Tod
entronnen!“
Der Eunuch Artaschura kehrte unverrichteter Dinge zurück.
Jung und unerfahren, wie er war, hatte er sich von den mit allen Wassern
gewaschenen Eunuchen, die im Haushalt der Königinmutter das Regiment führten,
abwimmeln lassen, ohne auch nur das Geringste über deren Befinden in Erfahrung
gebracht zu haben. Paruschjati seufzte. Das nächste Mal würde sie jemand
Erfahreneren schicken. Artaschura war groß und kräftig, ein brauchbarer
Leibwächter, aber ein wenig schüchtern. Verängstigt starrte er Paruschjati an,
als rechne er mit einer Strafe wegen seines Versagens. Er stand erst seit
Kurzem in ihren Diensten – wer wusste, was er zuvor erlebt haben mochte.
Manchmal wirkte er wie ein Kind, das er fast noch war.
„Vielleicht weiß Farnakia etwas“, meinte Frataguna.
„Eine gute Idee! Artaschura, hol ihn“, sagte Paruschjati,
und der junge Eunuch rannte erleichtert los.
„Die Königinmutter hat ihre Gemächer seit drei Tagen nicht
mehr verlassen“, wusste Farnakia zu berichten. Sein Mondgesicht und seine
gutmütigen Augen strahlten vor Freude, dass seine Dienste endlich angemessen
gewürdigt wurden. „Nur ausgesuchte Bedienstete haben Zutritt, alle Besucher
werden abgewiesen. Irgendwie haben sie es geschafft, dass kein Wort nach außen
dringt – sehr ungewöhnlich, denn normalerweise sickert immer etwas durch. Aber
gerade weil alle so zugeknöpft sind, blühen die Gerüchte. Es heißt, dass die
Königinmutter ernsthaft krank ist, und da könnte etwas dran sein, denn die
Königin Statira ist mit einem Teil ihres Hofstaats bei ihr eingezogen.“
„So eine Frechheit!“, schimpfte Frataguna. „Was hat sie dort
zu suchen?“
„Vielleicht will sie sich um ihre kranke Großmutter
kümmern“, meinte Faiduma, die schweigend zugehört hatte.
„Sei nicht so naiv! Statira hat sich nur bei der
Königinmutter eingenistet, weil sie sich einbildet, deren Nachfolge als
ranghöchste Dame des Palasts antreten zu können, sobald sie stirbt.“
„Gibt es inzwischen etwas Neues
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