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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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vor dem Wirtshaus angebunden. Ist das recht so? Oder ist es zu gefährlich?«
    »Ja! Aber lasst den ›edlen Herrn‹ weg.«
    Noch bevor sich der Kastellan bedanken und nach dem Preis fragen konnte, brachen die Stammtischbrüder in schallendes Gelächter aus.
    Der Kastellan und Otto konnten sich keinen Reim auf die spontane Reaktion der Männer auf die Aussage des Schmieds machen, obwohl sie merkten, dass offensichtlich sie der Grund für die plötzliche Heiterkeit waren. So warteten sie ab, bis sich ihre Mitzecher wieder gefangen hatten.
    »Seid Ihr verrückt geworden? Was ist denn in Euch gefahren?«, fragte der sichtlich verwirrte Kastellan und bekam in grölendem Chor zur Antwort: »Wollt ihr nach Staufen laufen, müsst ihr hier nur noch einen saufen!«
    Dem Schmied war es offensichtlich peinlich, wie mit seiner noblen Kundschaft umgesprungen wurde. Schnell versuchte er die Sache aufzuklären, wusste aber nicht so recht, wie er es anpacken sollte: »Irgendjemand aus der gräflichen Familie trägt eine Brille …«
    »Na und?«, fragte der Kastellan irritiert.
    »… und in Venedig wurden gegen 1280 die ersten Brillengestelle hergestellt!«
    »Und weiter?«, drängte Otto, der ungeduldig und langsam auch sauer wurde, weil er nicht verstand, wovon der Schmied sprach und was er überhaupt ausdrücken wollte.
    Da Sepp in jungen Jahren als Rüstbeschlager in der Lombardei gearbeitet hatte, kannte er sich nicht nur hervorragend mit Waffen und Pferden aus, sondern verfügte auch über eine beachtliche Kenntnis der italienischen Lebensweise und der dortigen Kultur. Das wussten auch die Stammtischbrüder, die ihm immer wieder gerne zuhörten, wenn er aus dieser Zeit berichtete. Sepp dürfte hier der einzige Nichtaristokrat gewesen sein, der so weit von Immenstadt fortgekommen war und sogar einigermaßen Italienisch sprach. Deshalb war er allseits hoch angesehen und wurde von den nicht nur Deutsch, sondern auch Französisch sprechenden Herrschaften bei Bedarf sogar als Übersetzer angeworben.
    »Habt Geduld. Ich komme schon noch zum Grund des allgemeinen Gelächters, möchte aber zunächst auf die Vorgeschichte eingehen. Ist das in Euer aller Sinn?«
    Allgemeines Kopfnicken.
    »Wirt, bring noch eine Runde, bevor unser Sepp anfängt!«, rief der ansonsten eher spröde Münzpräger, der gleich nebenan die gräfliche Münzwerkstatt betreute, obwohl dort nicht geprägt wurde.
    »Du kannst leicht einen ausgeben, du machst ja das Geld selber«, scherzte einer der Männer, bevor der Schmied mit seiner Erzählung begann: »Vor einiger Zeit war ein reicher venezianischer Kaufmann, der mit Brillen handelte, in Immenstadt. Er hat sein Ross zu mir zum Beschlagen gebracht und mir dabei erzählt, dass die Geschäfte miserabel laufen würden. Früher hätten Brillenträger, da es vorrangig Gelehrte und Geistliche waren, ein hohes Ansehen genossen, heute aber sehe man darin ein körperliches Gebrechen, weshalb das Tragen von Brillen gewaltig an Ansehen verloren habe.«
    »Das ist ja sehr interessant. Aber warum erzählst du uns das?«, fragte Otto, dem das kräftige Bier so langsam zu Kopf stieg.
    »Psst!«, ermahnte ihn sein Freund Ulrich sanft und blickte wieder neugierig den Schmied an. »Erzählt weiter.«
    »Gerne! … Da die Geschäfte mit den hässlichen Augengläsern schlecht gelaufen sind, ist der venezianische Kaufmann weit gereist, um sein Gelumpe loszuwerden. Deshalb war er auch in Immenstadt, um seine Ware im Schloss anzubieten. Da er aber kein Mitglied der gräflichen Familie vorgefunden hat, weil diese schon damals in Konstanz war, ist er hierher in dieses Gasthaus gekommen und hat sich aus lauter Wut volllaufen lassen.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, um was es eigentlich geht«, warf Otto, der jetzt schon etwas lallte, ein.
    »Na ja, er hat sein Pferd hier vor dem gräflichen Brauhaus angebunden. – Genau so, wie ich es mit Eurem Schwarzen gemacht habe.«
    Wieder brachen die Stammgäste in schallendes Gelächter aus.
    »Kommt zur Sache, Schmied!«, fuhr der Kastellan, der jetzt auch so langsam ungeduldig wurde, unwirsch dazwischen.
    »Also gut! Was soll ich sagen: Als der Brillenhändler das Gasthaus verlassen hat und auf sein Pferd steigen wollte, war es weg … von einem Unbekannten gestohlen.«
    Keiner sagte jetzt etwas, aber alle sahen gespannt zum Kastellan, um dessen Reaktion abzuwarten. Einen Moment war es so still, dass man nur das Prasseln des Regens hören konnte.
    »Geschieht das hier öfter?«
    »Dass es

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