Die Pfade des Wanderers
ist mit den anderen?«
Jon-Tom zeigte nach links und dann hinauf zu Colins Ast.
»Wie Sie sehen, leiden sie noch immer unter ihren eigenen Störungen. Ihre Illusionen müssen sie stärker im Griff haben, als dies bei uns beiden der Fall war.«
»Schmeichle dir nicht, daß dein Wille oder dein Wissen um die Realität stärker wäre als ihres. Du hast die Musik gebraucht, um mich wieder ich selbst werden zu lassen. Ich vermute, daß du sie auch brauchtest, um dich durch Schock in die Realität zurück zubringen.«
Jon-Tom zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich haben Sie recht.«
»Komm, es liegt Arbeit vor uns. Benutz du deinen Banngesang, ich werde meine Magie anwenden.«
Jon-Tom wählte sich Dormas aus. Die reagierte mit größter Verlegenheit, obwohl er ihr versicherte, daß dazu kein Grund bestand. Schließlich waren sie alle gleichermaßen verhext worden. Dennoch bestand sie darauf davonzutraben, um sich ungestört ihrem Leid und ihrer Erholung zu widmen. Sie verbrachte auch über eine Stunde damit, im Wald auf und ab zu laufen, auf der Suche nach der smaragdgrünen Kleeweide und ihren Blüten, fand aber nur Erdreich und Sträucher. Als sie sich davon überzeugt hatte, entdeckte sie einen kleinen Bergteich und tauchte gründlich darin ein. Von dem Umherwälzen in ihrem Illusions-Feld war sie von der Stirn bis zum Schweif über und über beschmutzt. Der Schmutz ließ sich zwar abwaschen, der Zorn und die Verlegenheit jedoch nicht.
Jon-Tom machte sich daran, ihre Vorräte wieder einigermaßen zu ordnen, während Clodsahamp mittels Magie versuchte, seinem Famulus wieder etwas Realität einzubleuen. Als die Magie nicht wie gewünscht funktionierte, begann der Hexer damit, dem Eulerich rechts und links gegen den schlammigen Schnabel zu schlagen. Vielleicht war es die nachhängende Magie, vielleicht waren es die Schläge, vielleicht auch beides. Jedenfalls kehrte Sorbl zu ihnen zurück. Kehrte so betrunken zurück, als sei seine Störung Wirklichkeit geblieben. Anscheinend ließen sich manche geistige Nebenwirkungen nicht so leicht abschütteln.
Als er mit dem Sortieren der Vorräte und Ausrüstung fertig war, kletterte Jon-Tom die große Kiefer hinauf und packte Colin. Der Koalabär murmelte Mantras vor sich hin, während er auf den Nadeln herumkaute, und Jon-Tom mußte ihn heftig schütteln, gleichzeitig aber auch versuchen, auf der Duar die richtigen Töne hervorzubringen. Anscheinend war Colin stärker in der Realität verwurzelt als die anderen, denn er kehrte sofort und mit einem Ruck zurück.
Leider hatte Jon-Tom ihn ein wenig zu stark gerüttelt. Der Koala kippte seitwärts vom Ast und landete mit einem beunruhigenden Plomp! auf der harten Erde. Er war auch zäher als alle anderen, denn er rollte sich sofort ab und war binnen weniger Sekunden wieder auf den Beinen, umherblickend, als sei nichts geschehen. Diese Pose war selbst eine Illusion. Einen Augenblick später geriet Colin ins Wanken und setzte sich mit einem Plumpsen hin, um das Gesicht in die Hände zu legen.
Das lag jedoch nicht daran, daß er sich durch seinen Sturz eine Gehirnerschütterung zugezogen hätte, wie Jon-Tom zunächst befürchtete. Genau wie Sorbl hatte auch er die Nachwirkungen seiner imaginären Nahrungsaufnahme mit herüber gerettet, also die Wirkung der Eukalyptusblätter. Er erklärte Jon-Tom, daß diese eine milde narkotisierende Wirkung hätten. Deshalb waren die Koalas, die sie ständig aßen, auch immer so schläfrig und langsam in ihren Bewegungen. Es würde eine Weile dauern, bis die Nachwirkungen aufhörten.
Was nun Mudge betraf: Nachdem Clodsahamp den ersten Schock des Anblicks überwunden hatte, mußten Jon-Tom, er und Colin ihn gemeinsam von seinem Baumstamm zerren. Nun rechneten sie mit einem Ausbruch der Verlegenheit, der die Reaktion von Dormas weit in den Schatten stellen würde. Doch reagierte der Otter ein wenig anders. Sobald sie ihm erklärt hatten, was geschehen war, ließ er einen Schwall von Beschimpfungen, Flüchen und Beleidigungen hervorwallen, wie ihn dieser Teil der Welt noch nie erlebt hatte. Die Luft rundum erzitterte.
Als sein Zorn, seine Beleidigungen und sein Geschrei nachließen, verpaßte er den Überresten des zerstörten Baumstamms einen schnellen Tritt, daß die Splitter nur so stoben, und stapfte davon, um in der Einsamkeit zu schmollen.
»Ich hätte erwartet, daß die degenerierte Wasserratte sich schämt«, bemerkte Colin.
»Ich glaube nicht, daß Mudge dieses Wort überhaupt kennt.
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