Die Pfade des Wanderers
nicht die Zeit, um darüber nachzudenken, wie man ein solch gewaltiges Gerät hier hatte anbringen können. Denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Orchester anzustarren. Es bestand aus spärlich bekleideten Damen, die ihre Instrumente nicht nur mit vollendetem Können spielten, sondern offensichtlich auch eine äußerst persönliche und intime Beziehung zu ihnen unterhielten.
Tatsächlich gab es nicht ein einziges männliches Wesen. Weibliche Wesen waren dafür in vielen Arten vertreten, die Mehrzahl waren jedoch Otter: mit seidigem weichen Pelz, langen Barthaaren und scharfen Zähnen. Etwa dreißig von ihnen tanzten zur wilden Musik des Orchesters, drehten sich und wirbelten wie die Derwische. Fassungslos beobachtete er sie, es war, als wäre er am Boden festgewachsen. Was blieb ihm angesichts einer solchen unerwarteten und erstaunlichen Fülle weiblicher Schönheit auch anderes übrig?
Jedenfalls nicht, auf ewige Zeiten hier stehen zubleiben, so sehr er den Augenblick auch gern erhalten hätte. Schließlich war er nicht allein gekommen. Mit großem Zögern machte er kehrt, um aus dem Tunnel hinauszulaufen mit dem Ziel, seine Freunde darüber zu informieren, was er entdeckt hatte, als plötzlich ein spitzer erschrockener Schrei die Luft zerteilte. Die Musik verstummte. Abrupt endete der Tanz. Auch Mudge blieb stehen. Alle diese leuchtenden, üppigen Schönheiten starrten ihn ausnahmslos an.
»Seht mal!« rief eine der Otterschönen in das schwebende Schweigen hinein. »Ein Mann!«
Gekicher und Kreischen erfüllten die Höhle, als sie auf ihn zujagten.
»Nun mal langsam, Puppen!« sagte er beunruhigt und hob beide Hände in einer abwehrenden Geste. »Wir wollen nix überstürzen, bevor wir die Sache durchdiskutiert 'aben.«
Sie stürzten sich auf ihn, ihr Parfüm war überwältigend, und sie kämpften miteinander um die Gelegenheit, ihn zu berühren und zu streicheln, ihn zu küssen und an ihm herum zuknabbern.
Er wehrte sich nicht ganz so heftig, wie er es hätte tun können, als sie ihn durch die Höhle halb zogen, halb schoben. Die Musik setzte wieder ein, noch wilder und hemmungsloser als zuvor. Er wußte, daß sie ihn einluden, an ihrer Feier teilzuhaben. Zu feiern, wie er noch nie zuvor gefeiert hatte. Seine Freunde warteten, gewiß - doch die konnten warten. Und wenn nicht sie es nicht taten - nun, dann mußten sie eben ohne den guten alten Mudge auskommen.
Er gab sich voll und ganz der Euphorie hin.
Jon-Tom zwinkerte, wischte sich die Augen. Er hielt die Duar gerade so fest, daß ihm die Finger weh taten. War er von allein dort herausgekommen, oder hatte er das Glück gehabt, im Zustand der Bewußtlosigkeit eine störungsaufhebende Melodie zu spielen?
Was war mit dem Forum geschehen, mit der schreienden Menge? Dort, wo die völlig verzückten Fans gewesen waren, die sich darum geprügelt hatten, wenigstens seine Stiefel berühren zu dürfen, die jedes Wort, das ihm von den Lippen kam, mit Applaus und Gejohle quittiert hatten, befand sich nun nur eine Reihe hoher Föhren und Tannen und vereinzelter Rotholzbäume nach der anderen. Und die Stille war ohrenbetäubend.
Seine Gefährten umgaben ihn, doch als er nach ihnen rief, antworteten sie nicht. Sie schienen ihn nicht einmal zu sehen.
Colin saß oben in einer Kiefer und kaute auf Kiefernnadeln herum, er hatte dabei einen Gesichtsausdruck, als wäre er absolut stoned. Clodsahamp kauerte unter ihm, von zwei großen Wurzeln geschützt. Er war damit beschäftigt, immer und immer wieder mit den Händen einen flachen Stein umzudrehen, seine Miene wirkte verzückt. Ein Geräusch ließ Jon-Tom nach links blicken.
Dort wälzte sich Dormas gerade auf dem Boden, ihr Gesichtsausdruck war fast so entrückt wie der von Colin. Sie hatte ihr Gepäck abgeworfen, und ihre Vorräte lagen überall verstreut herum. Sorbl lag ganz in der Nähe mit dem Gesicht in einer schlammigen Regenpfütze. Er prustete Luftblasen hervor und machte Schwimmbewegungen mit den Flügeln. Und Mudge besorgt suchte Jon-Tom mit seinem Blick die Lichtung ab. Wo war Mudge?
Zu seiner Rechten ertönte ein Geräusch, das teils ein Knurren, teils ein Stöhnen war. Die Hand auf die Stirn gelegt (er hatte schreckliche Kopfschmerzen), taumelte Jon-Tom in diese Richtung davon und versuchte, den Ursprung der Geräusche zu ergründen.
So gelangte er an einen umgestürzten Baumstamm, den der Otter gerade mit wollüstigekstatischem Lächeln fest umarmte. Sobald er sah, was der Otter genau tat,
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