Die Pfeiler der Macht
sollten ihr an diesem Abend auch vorenthalten bleiben.
Lady Morte zögerte noch immer. Dann rang sie sich zu einer Antwort durch: »Sie sind sehr gütig.«
Mrs. Maple, Emilys Mutter, kam aus der Toilette, worauf sich sogleich Lady Morte auf den Weg dorthin machte. Ihre starre Miene trug jetzt den Ausdruck peinlicher Betroffenheit. Augusta wußte, daß Lady und Lord Morte auf der Heimfahrt in der Kutsche unisono über diese »unglaublich vulgären und unmanierlichen Geschäftsleute« herziehen würden. Doch der Tag lag nicht fern, da Lord Morte tausend Guineen aufs falsche Pferd setzen und Lady Mortes Schneider die Bezahlung einer sechs Monate alten Rechnung über dreihundert Pfund anmahnen würde. Dann würden sich die beiden an Augustas Angebot erinnern und zu dem Schluß kommen, daß auch vulgäre Geschäftsleute bisweilen recht nützlich sein konnten.
Augusta hatte die dritte Hürde übersprungen. Ihrer Einschätzung nach war die Frau in spätestens sechs Monaten hoffnungslos beim Bankhaus Pilaster verschuldet. Und dann würde sie schon erfahren, was Augusta von ihr wollte.
Zu ebener Erde trafen sich die Damen im Salon wieder und tranken ihren Kaffee. Lady Morte blieb auf Distanz bedacht, hütete sich aber vor ausgesprochenen Unhöflichkeiten. Kurze Zeit später gesellten sich auch die Männer zu ihnen. Joseph führte Mr. Maple nach oben, um ihm seine Schnupftabakdosensammlung zu zeigen, worüber Augusta sehr froh war: Er zeigte die Sammlung immer nur Leuten, die ihm sympathisch waren. Emily spielte Klavier. Mrs. Maple bat sie, dazu etwas zu singen, doch Emily erwiderte, nein, sie sei erkältet, und ließ sich auch durch inständige Bitten ihrer Mutter nicht von ihrer ablehnenden Haltung abbringen. Angesichts dieser bemerkenswerten Hartnäckigkeit kamen Augusta Bedenken: Das Mädchen schien doch nicht so fügsam zu sein, wie es aussah.
Sie hatte ihr Pensum für diesen Abend erledigt und hätte ihre Gäste am liebsten nach Hause geschickt, um in aller Ruhe über den erfolgreichen Beginn ihres Feldzugs nachzudenken. Von Michael Fortescue abgesehen, mochte sie im Grunde keinen der Anwesenden. Dennoch zwang sie sich zur Höflichkeit und beschloß, noch eine weitere Stunde Konversation zu treiben. Hobbes hat angebissen, dachte sie. Fortescue hat ein Geschäft mit mir geschlossen; er wird sich an seinen Teil der Abmachung halten. Und Lady Morte habe ich den steilen Weg in den Abgrund gezeigt; es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, wann sie ihn beschreiten wird. Augusta fühlte sich erleichtert und zufrieden. Als die Gäste endlich fort waren, machte sich Edward ausgehfertig: Er wollte in seinen Club. Augusta hielt ihn auf. »Komm, setz dich, und hör mir einen Augenblick zu«, sagte sie.
»Ich möchte mich mit dir und deinem Vater unterhalten.« Auch Joseph, der schon auf dem Weg ins Bett war, nahm wieder Platz.
»Wann wirst du Edward zum Teilhaber machen?« fragte ihn seine Frau.
Josephs Miene verfinsterte sich schlagartig. »Wenn er älter ist.«
»Aber wie ich höre, wird Hugh vielleicht bald Teilhaber - und er ist drei Jahre jünger als Edward.« Obwohl Augusta keine Ahnung davon hatte, wie man Geld verdiente, war sie über die persönlichen
Karrieren aller Pilasters in der Bank stets bestens informiert. Normalerweise sprachen Männer in Gegenwart von Frauen nicht über Geschäftsangelegenheiten, doch Augusta pflegte ihnen bei ihren Teegesellschaften alles zu entlocken, was sie wissen wollte.
»Das Altersprinzip ist nur einer von mehreren Faktoren, auf die es bei der Auswahl neuer Teilhaber ankommt«, sagte Joseph gereizt.
»Ein anderer besteht in der Fähigkeit des Kandidaten, Aufträge einzuholen, und darüber verfügt Hugh in einem Maße, wie ich es bei einem Mann seines Alters noch nie gesehen habe. Auch eine namhafte Kapitalinvestition in die Bank, hoher gesellschaftlicher Rang oder politischer Einfluß können ausschlaggebend sein. Ich fürchte, Edward verfügt über nichts dergleichen.«
»Aber er ist dein Sohn.«
»Eine Bank ist ein Geschäft, keine Dinnerparty!« gab Joseph zurück. Er haßte es, wenn Augusta ihm Vorschriften machen wollte.
»Eine hohe Stellung ist nicht nur eine Frage des Ranges oder des Protokolls. Der entscheidende Test ist der, ob jemand Geld verdienen kann.«
Gelinde Zweifel beschlichen Augusta. Soll ich mich wirklich so für Edward einsetzen, wenn ihm die nötigen Fähigkeiten fehlen? dachte sie. Nein, das ist Unfug. Edward ist vollkommen in Ordnung. Vielleicht
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