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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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brach den Tanz abrupt ab und schob de Tokoly von sich, was jedoch niemandem auffiel, da der Tanz in diesem Augenblick auch offiziell zu Ende ging. Aber der Graf setzte alles auf eine Karte und ließ sich zu einer erneuten Bemerkung hinreißen, wobei sich sein Gesicht zu einem für ihn typischen lüsternen Grinsen verzog. Und genau in dem Moment, da die Kapelle zu spielen aufhörte und vorübergehend Stille herrschte, schlug Nora zu.
    Der Schlag hallte wie ein Gewehrschuß durch den Ballsaal. Das war kein höflicher, damenhafter Klaps für den Salongebrauch, sondern eine gehörige Ohrfeige, die auch einen betrunkenen Grabscher in einer Wildwestbar in seine Schranken verwiesen hätte.
    Der Graf geriet ins Taumeln - und rempelte rücklings den Thronfolger an.
    Alle, die es miterlebt hatten, hielten den Atem an. Der Kronprinz stolperte und wurde vom Herzog von Tenbigh aufgefangen - und in das entsetzte Schweigen platzte laut und unmißverständlich Noras Cockney-Stimme: »Komm mir ja nicht noch einmal nahe, du dreckiger alter Lustmolch!«
    Eine Schrecksekunde lang verharrten sie bewegungslos und boten ein malerisches Bild: die empörte Frau, der gedemütigte Graf, der erschrockene Kronprinz. Augusta jubelte innerlich: Es hatte geklappt
    - und zwar noch viel besser, als sie es sich hätte träumen lassen können.
    Dann tauchte unvermittelt Hugh an Noras Seite auf und ergriff ihren Arm; der Graf reckte sich und stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon; eine Gruppe ängstlich-besorgter Höflinge bildete eine Art Schutzwall um den Kronprinzen und schirmte ihn von neugierigen Blicken ab. Aufgeregtes Getuschel erfüllte den Saal wie leises Donnergrollen. Siegesbewußt sah Augusta Micky an.
    »Brillant«, murmelte er in aufrichtiger Bewunderung. »Sie sind brillant, Augusta.« Er drückte ihren Arm und führte sie von der Tanzfläche.
    Ihr Ehemann erwartete sie schon. »Diese elende Göre!« entrüstete er sich. »Uns vor den Augen des Kronprinzen eine solche Szene zu machen! Sie bringt Schande über die ganze Familie - und zweifellos geht uns jetzt auch ein größerer Auftrag durch die Lappen!«
    Das war genau die Reaktion, die sich Augusta von ihm erhofft hatte. »Nun glaubst du mir vielleicht endlich, daß Hugh auf keinen Fall Teilhaber werden darf«, sagte sie triumphierend. Joseph musterte seine Frau kritisch, und einen Augenblick lang befürchtete Augusta schon, ihr Blatt überreizt zu haben. Sollte Joseph tatsächlich argwöhnen, daß sie selbst es gewesen war, die den Vorfall in Szene gesetzt hatte? Doch wie dem auch sein mochte - Joseph schien alle eventuellen Zweifel rasch beiseite geschoben zu haben, denn er sagte: »Du hast recht, meine Liebe. Du hattest von Anfang an recht.« Hugh dirigierte Nora zum Ausgang. »Wir gehen jetzt natürlich«, bemerkte er im Vorbeigehen in nichtssagendem Tonfall. »Wir müssen jetzt alle gehen«, verkündete Augusta. Allerdings noch nicht sofort, fügte sie in Gedanken hinzu. Wenn heute abend nicht noch ein wenig Salz in die Wunde gestreut wurde, bestand die Gefahr, daß die Aufregung sich legte und der Vorfall schließlich als weniger gravierend abgetan wurde. Dies galt es zu verhindern: Augusta wollte, daß die Gemüter sich erhitzten, daß böse Worte fielen und Anschuldigungen ausgesprochen wurden, die nicht so leicht zu vergessen waren. Sie legte Nora die Hand auf den Arm und verhinderte so deren allzu schnellen Abgang. »Ich habe versucht, Sie vor dem Grafen de Tokoly zu warnen«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Wenn eine Dame beim Tanz von einem solchen Mann beleidigt wird, bleibt ihr nicht viel anderes übrig, als eine Szene zu machen«, sagte Hugh.
    »Mach dich nicht lächerlich!« fuhr Augusta ihn an. »Jede wohlerzogene junge Frau hätte genau gewußt, wie man sich in einem solchen Fall verhält. Sie hätte Unwohlsein vorgeschützt und ihre Kutsche rufen lassen.«
    Hugh wußte, daß sie recht hatte; daher versuchte er erst gar nicht, ihr zu widersprechen. Erneut mußte Augusta befürchten, die Aufregung könne sich legen und der Vorfall in Vergessenheit geraten. Doch da zeigte sich, daß Josephs Wut noch nicht verflogen war. »Weiß der Himmel, welchen Schaden du der Familie und der Bank heute nacht zugefügt hast«, sagte er zu Hugh. Hugh errötete.
    »Würdest du dich vielleicht etwas genauer ausdrücken?« fragte er steif.
    Mit der Aufforderung an Joseph, seine Vorwürfe zu präzisieren, verschlimmert er seine Lage nur, dachte Augusta befriedigt. Hugh müßte jetzt den Mund

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