Die Pfeiler der Macht
unsere Häuser, unsere Möbel, unsere Kunstgegenstände, Weinvorräte und auch die Juwelen veräußern müssen.«
»Das ist doch absurd!« schrie Augusta.
»Es ist Gesetz«, gab Hugh zurück. »Jeder Teilhaber ist für alle Schulden des Geschäfts persönlich haftbar.«
»Ich bin aber kein Teilhaber.«
»Aber Edward ist einer. Er ist zwar als Seniorpartner zurückgetreten, gilt aber nach dem Buchstaben des Gesetzes immer noch als Teilhaber. Und er ist Eigentümer eures Hauses, weil Joseph es ausdrücklich ihm vermacht hat.«
»Wir müssen doch irgendwo leben«, sagte Nora. »Deshalb werden wir uns morgen früh zuallererst darum kümmern, kleine, billige Häuser zu finden, die wir mieten können. Sucht euch etwas Bescheidenes, das macht bei den Gläubigern einen guten Eindruck. Andernfalls werdet ihr bald erneut auf Wohnungssuche gehen müssen.«
»Ich habe absolut nicht die Absicht umzuziehen«, verkündigte Augusta. »Das ist mein letztes Wort, und ich gehe davon aus, die anderen Mitglieder der Familie denken da genauso.« Sie sah ihre Schwägerin an. »Madeleine?«
»Ganz meine Meinung, Augusta. George und ich bleiben, wo wir sind. Das ist doch alles Unfug. Wir sind doch nicht plötzlich mittellos. Das gibt es doch gar nicht.«
Hugh verachtete sie. Selbst jetzt, da ihre eigene Arroganz und Dummheit sie ruiniert hatten, weigerten sie sich stur, den Geboten der Vernunft zu folgen. Am Ende würde ihnen gar nichts anderes übrigbleiben, als ihre Illusionen aufzugeben. Aber wenn sie sich jetzt noch lange an einen Luxus klammerten, der ihnen nicht mehr zukam, dann verspielten sie zusätzlich zum Vermögen der Familie auch noch deren guten Ruf. Nur noch penible Aufrichtigkeit half jetzt weiter.
Hugh war fest entschlossen, ihnen das einzubleuen, obwohl ihm klar war, daß es alles andere als leicht sein würde.
Augusta wandte sich an ihre Tochter: »Clementine, ich bin sicher, daß ihr beide, du und Harry, mit Madeleine und George übereinstimmt.«
»Nein, Mutter«, erwiderte Clementine.
Augusta rang nach Luft. Auch Hugh war perplex. Es war höchst ungewöhnlich für seine Kusine, daß sie ihrer Mutter widersprach. Wenigstens ein Familienmitglied, das sich seinen gesunden Menschenverstand bewahrt hat, dachte er.
»Wir stecken in der Klemme, weil wir auf dich gehört haben, Mutter«, erklärte Clementine. »Hätten wir Hugh statt Edward zum Seniorpartner gewählt, wären wir alle nach wie vor reich wie Krösus.«
Hugh fühlte sich erleichtert. Ein paar Leute in dieser Familie schienen zu begreifen, was er vorhatte.
»Dein Verhalten war von Anfang an falsch und unredlich, Mutter«, fuhr Clementine fort, »und du hast uns damit in den Ruin getrieben. Ich werde nie wieder auf deinen Rat hören. Hugh hatte recht. Daher sollten wir ihm jetzt freie Hand geben, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um uns aus diesem furchtbaren Fiasko hinauszuführen.«
»Richtig, Clementine«, pflichtete William ihr bei. »Wir sollten Hughs Empfehlungen unbedingt Folge leisten.« Damit waren die Fronten geklärt. Auf Hughs Seite standen William, Samuel und Clementine, die ihrerseits darüber bestimmte, wo ihr Gatte, Sir Harry, stand. Sie würden versuchen, die Krise in Anstand und Würde hinter sich zu bringen. Die Gegenpartei, die sich aus Augusta, Edward und Madeleine zusammensetzte - wobei Madeleine auch für Major Hartshorn sprach -, verfocht eine andere Strategie: Man würde zusammenraffen, was sich noch zusammenraffen ließ, auch wenn der Ruf der Familie dabei vor die Hunde ging.
Da meldete sich Nora zu Wort: »Mich werdet ihr aus diesem Haus hinaustragen müssen«, sagte sie trotzig. Hugh spürte einen bitteren Geschmack im Mund. Seine eigene Ehefrau lief zum Feind über.
»Du bist die einzige Person hier im Zimmer, die ihrem Ehepartner in den Rücken fällt«, sagte er traurig. »Schuldest du mir denn überhaupt keine Loyalität?« Sie warf den Kopf zurück. »Ich habe dich nicht geheiratet, weil ich in Sack und Asche leben will.«
»Sei's, wie es sei - du wirst dieses Haus auf jeden Fall verlassen«, sagte Hugh hart und wandte sich an die anderen Starrköpfe - an Augusta, Edward, Madeleine und Major Hartshorn. »Auch ihr werdet schließlich nachgeben müssen. Wenn nicht jetzt und in Würde, dann eben später in Schimpf und Schande, gezwungen von Gerichtsvollziehern und Polizisten und unter den Augen sensationslüsterner Zeitungsreporter. Die Journaille wird kein gutes Haar an euch lassen, und euer eigenes unbezahltes
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