Die Pfeiler des Glaubens
gesagt?«
Was können zwei Männer schon über einen Hidalgo gesagt haben? Ja, natürlich, ein Hidalgo mit Stammbaum. Damit hatte der eitle Bursche soeben seinen wunden Punkt preisgegeben.
»Dass Ihr nicht von reinem Blut seid«, antwortete Hernando.
Der junge Mann umklammerte wütend den Griff seines Degens.
»Beim heiligen Jakobus!«, rief er mit hochrotem Kopf, »mein Blut ist rein! Bis in die Zeiten der Römer. Mein Familienname lässt sich auf Quintus Varus zurückführen. Sag mir sofort, wer diese infame Beleidigung ausgesprochen hat!«
»Hm … Das … weiß ich nicht«, stammelte Hernando – diesmal unabsichtlich. War er zu weit gegangen? Der junge Mann bebte vor Zorn. »Ich kannte die Männer ja nicht. Wie Eure Exzellenz verstehen wird, habe ich für gewöhnlich keinen Umgang mit solchen Personen.«
»Würdest du sie wiedererkennen?«
Wie sollte er nur zwei Männer wiedererkennen, die er gerade eben erfunden hatte? Vielleicht sollte er ihm antworten, dass er sie in der Dunkelheit …
»Würdest du sie wiedererkennen?«, fragte der Hidalgo abermals, machte einen Schritt auf ihn zu und schüttelte ihn an den Schultern.
»Natürlich«, antwortete Hernando und machte einen Schritt zurück.
»Dann begleite mich zur Plaza de la Corredera!«
»Nein.«
»Wie bitte?« Der Edelmann rückte drohend näher, und Hernando wich wieder zurück.
»Ich kann nicht. Man wartet auf mich.« Welche Zunftwerkstätten lagen am weitesten vom Potro-Viertel entfernt? Wo arbeiteten die Handwerker, bei denen der Mann ihn nie finden würde, falls er nach ihm suchen sollte? »Ich habe eine Verabredung im Töpferviertel. Ich muss doch für meine Familie sorgen. Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, bezahlt mich der Meister nicht. Ich habe Frau und Kinder und versuche sie im christlichen Glauben zu erziehen …« Treffer! Der Hidalgo begann unbeholfen in seiner Hosentasche zu wühlen, bis er einen kleinen Beutel gefunden hatte. Für Fatima! »Ein Junge ist krank, und der andere …«
»Halt den Mund! Wie viel zahlt dir dein Meister?«, fragte der Hidalgo und griff nach den Münzen im Geldbeutel.
»Vier Reales«, log Hernando.
»Hier sind zwei Reales«, bot er ihm an.
»Ich kann nicht. Meine Kinder …«
»Dann drei.«
»Es tut mir so leid, Exzellenz.«
Der Hidalgo legte ihm eine Vier-Reales-Münze auf die Hand.
»Los!«, befahl er ihm.
Von der Ermita de la Consolación bis zur Plaza de la Corredera musste man nur die Plaza de las Cañas queren. Der Hidalgo schritt voraus, er war angespannt und umklammerte den Degen. Er fluchte vor sich hin und schwor denjenigen Rache, die seine Familienehre befleckt hatten. Hernando spürte die Münze in seiner Hand. Eine Vier-Reales-Münze!
»Vielleicht sind sie heute Abend gar nicht dort«, überlegte er laut.
»Bete darum, dass sie da sind«, sagte der junge Edelmann nur.
Sie betraten den Platz von der Südseite. Hernando sah sich um, es gab hier drei Wirtshäuser: das Mesón de la Romana, neben dem sie gerade standen, das Mesón de los Leones an der Calle del Toril sowie das Mesón del Carbón in der Nähe des Hospital de Nuestra Señora de los Ángeles. Noch schien die Nachmittagssonne, doch die Abenddämmerung kündigte sich bereits an. Auf dem weitläufigen Platz waren um diese Tageszeit viele Menschen unterwegs, und in den Gaststuben herrschte ein einziges Kommen und Gehen.
»Also?«, fragte der Hidalgo.
Hernando atmete tief durch. Sollte er besser wegrennen? Als hätte er seine Gedanken erraten, packte der Hidalgo Hernando am Arm und schleifte ihn in das Mesón de la Romana. Beim Betreten des Wirtshauses stießen sie aus Versehen mit einem Mann zusammen. Der Hidalgo wartete immer noch auf eine Antwort.
»Nein. Hier sind sie nicht«, sagte Hernando, als einige Gäste ihre Gespräche unterbrachen und ihn anstarrten, als er seinen Blick durch die Gaststube schweifen ließ.
Im Mesón de los Leones sagte er zum Leidwesen des Hidalgos das Gleiche. Die Männer könnten ja auch sonst wo sein, dachte er in dem Moment, als sie schließlich das Mesón del Carbón betraten. Warum sollten sie gerade jetzt hier sein? Aber was würde dann aus den vier Reales? Was würde der Hidalgo tun? Bestimmt würde er die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Schließlich ging es um seine Ehre und um den Ruf seiner Familie! Polterndes Gelächter riss ihn aus seinen Gedanken. An einem der Tische saß ein bärtiger Mann in der bunten Uniform der Tercios. Er hielt sein Weinglas hoch und erzählte grölend
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