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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Sorge ist, dass du nicht weißt, was du zu tun hast.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Hernando.
    »Karim opfert sich für …«
    »Er schützt mich«, fuhr Hernando dazwischen. Er hatte dem Gelehrten immer noch den Rücken zugewandt.
    »Sei nicht so hochmütig, Ibn Hamid. Er beschützt uns alle. Du … Du bist einer von vielen. Er beschützt deine Frau, und er beschützt die Mütter, die Fatima die Offenbarung lehrt. Er beschützt diese Mütter, die ihr Wissen an ihre Kinder weitergeben. Er beschützt die Kleinen, die heimlich lernen und immer darauf achten müssen, ihr Wissen nur innerhalb ihrer Familien einzusetzen. Er beschützt uns alle.«
    Hamid sah, dass Hernando am ganzen Körper zitterte.
    »Mein Leben liegt in seiner Hand«, sagte er endlich und drehte sich zu Hamid um. Der Alfaquí befürchtete, sein Schüler könnte jeden Moment zusammenbrechen. Also ging er zu ihm und kniete sich schwerfällig neben ihn. »Vielleicht hast du recht. Er beschützt uns alle … Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich diesen alten, müden und von den Folterqualen zermürbten Körper bei den Verhören sehe. Wie viel kann ein Mann aushalten? Ich habe Angst, Hamid. Ich habe große Angst. Ich zittere unentwegt. Ich kann weder meine Knie noch meine Hände beherrschen. Ich habe Angst, dass ich mich noch selbst verrate.«
    Der Alfaquí lächelte traurig.
    »Unsere Kraft liegt nicht in unserem Körper, Ibn Hamid. Unsere Kraft liegt in unserem Geist. Du musst Vertrauen haben. Karim wird dich nicht verraten. Denn damit würde er sein ganzes Volk verraten.«
    Die beiden sahen sich an.
    »Hast du schon gebetet?«, fragte der Alfaquí nach einer Weile. Hernando meinte, das Echo seiner Worte in der alten Hütte in Juviles zu hören. Er biss sich auf die Unterlippen und wartete auf den nächsten Satz: »Das Nachtgebet ist das einzige Gebet, das wir in Sicherheit verrichten können, weil die Christen dann schlafen.« Hernando schnürte es bei diesen ihm so vertrauten Worten die Kehle zu, und er kämpfte mit einer Antwort. Doch Hamid kam ihm zuvor. »Wie viele Kämpfe haben wir seither gemeinsam ausgefochten, mein Sohn?«
    Doch Hamid gab die Nachricht nicht an Abbas weiter. Der Schmied war noch jung und kräftig und durfte keineswegs sein Leben riskieren. Auch Don Julián musste immer im Verborgenen handeln, er konnte sich kaum unter den Morisken blicken lassen. Karims Ende war nahe, entweder würde er bald unter den Folterqualen sterben, oder er würde als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Jalil war so alt wie Karim. Und er selbst … Er hatte das Gefühl, dass auch sein eigenes Leben bald zu Ende ging. Aber wie sollte er den Verräter töten? Der alte Mann beobachtete den Morisken, der am Cruz del Rastro sorglos sein Gebäck feilbot.
    Nach zwei Tagen unaufhörlicher Qualen hatten sie Karim auf der Folterbank schließlich auch die Arme ausgerenkt, aber der alte Mann schwieg. So eisern, wie Hernando auf sein Fasten und Beten beharrte. Fatima und Aischa waren tief beunruhigt, und selbst die Kinder spürten, dass etwas Schreckliches bevorstand.
    »Trinkt er das Wasser, das du ihm bringst?«, fragte Hamid Fatima.
    »Ja.«
    »Dann wird er es durchstehen.«
    Hamid sah Cristóbal mit seinem Verkaufsstand zu einer besonders belebten Stelle des Marktes ziehen. Er folgte ihm mit seinem Blick, bis der Bäcker in der Nähe eines Messerschmiedes stehen blieb.
    Cristóbal pries mit fröhlicher Stimme seine Ware an. Er ließ den Teig in die Pfanne gleiten, sodass das Öl zischte, schnitt die fertigen Teigkringel auseinander und verkaufte sie an die Passanten. Die Messer! Aber selbst wenn er dem Schmied eines entreißen und dem Bäcker einen Messerstich versetzen könnte, der Abstand zwischen Cristóbal und dem Stand des Messerschmiedes war zu groß. Bestimmt würde er durch die Schreie des Schmiedes auf ihn aufmerksam. Außerdem musste er ihn köpfen.
    »Allahu akbar!«, flüsterte er leise.
    Cristóbal sah den alten Mann mit der finsteren Miene auf sich zukommen. Er runzelte besorgt die Stirn. Doch als der Alfaquí bei ihm angekommen war, musste er lächeln.
    »He, Alterchen, möchtest du auch etwas haben?« Hamid machte eine abwehrende Handbewegung. »Was willst du dann von mir?«
    In dem Moment griff Hamid mit beiden Händen nach der Pfanne. Die umstehenden Leute hörten das Zischen, als seine Finger die glühende Pfanne berührten. Der Alfaquí zuckte nicht einmal mit der Wimper. Einige Passanten konnten gerade noch zur

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