Die Pfeiler des Glaubens
letztes Mal. Die Truhe und das Bündel fielen auf die Straße, als er ihre Umarmung erwiderte. Der leidenschaftliche Abschiedskuss brachte ihren Bruder Gil innerlich zum Rasen. Die Soldaten in seiner Begleitung beobachteten die Szene und schüttelten abschätzig den Kopf: Die Schwester eines Jurados, eine Altchristin, tauschte mit einem Mauren gierige Küsse. Und noch dazu in aller Öffentlichkeit!
Don Gil Ulloa näherte sich dem Ehepaar und versuchte, die beiden mit Gewalt auseinanderzubringen – erfolglos. Sogleich kamen ihm mehrere Soldaten zu Hilfe. Sie stießen die Kolben ihrer Arkebusen in Hernandos Rücken. Als er sich daraufhin umdrehen wollte, prügelten sie mit aller Wucht auf ihn ein. Rafaela stürzte zu Boden und stöhnte, Amin wollte seinem Vater helfen und trat einen der Soldaten.
Den letzten Fausthieb versetzte Don Gil Ulloa seinem verhassten Schwager persönlich. Seine Männer hielten Hernando dafür fest und stellten ihn vor den Jurado, der Moriske blutete bereits aus der Nase, sein Sohn an der Lippe.
»Verdammter Maurenhund!«, murmelte Don Gil, nachdem er ihm mit aller Kraft ins Gesicht geschlagen hatte.
Rafaela stand wieder aufrecht und wollte ihren Mann beschützen, doch Don Gil verpasste seiner Schwester einen harten Faustschlag, und sie stolperte zur Seite.
»Im Namen des Königs, beschlagnahmt dieses Haus!«, befahl daraufhin der Schreiber.
Hernando war überrascht und wollte protestieren, doch die Soldaten prügelten sofort wieder auf ihn ein und schleiften ihn schließlich zu den wartenden Morisken, die die heftige Auseinandersetzung beobachtet hatten. Amin und Laila schubsten sie hinter ihrem blutenden Vater her. Don Gil gab den Befehl zum Aufbruch, und die Morisken setzten sich in Bewegung. Hernando und seine Kinder griffen nach der Truhe und den Bündeln, während die Kolonne, von den Soldaten eskortiert, an ihrem Haus vorbeimarschierte.
»O Gott! Nein!«, schrie Rafaela, als ihr Mann an ihr vorbeiging. »Hernando, ich liebe dich!«
Noch bevor er ihr antworten konnte, wurde Hernando von der drängenden Masse seiner Glaubensbrüder weitergestoßen. Er versuchte noch, sich umzudrehen, da bogen sie bereits in die nächste Gasse ein. Der verzweifelte Vater mit seinen beiden Kindern wurde von der Menschenmenge einfach mitgerissen.
Am Ende dieses eisigen Februarmorgens wurden die etwa zehntausend Morisken aus Córdoba außerhalb der Stadt auf dem Campo de la Verdad versammelt, auf der anderen Seite der römischen Brücke. Die Milizen patrouillierten um sie herum und überwachten sie. Auch Miguel befand sich dort, mit seinem Maultier und den Pferden, die heillos überladen waren. Er wollte überprüfen, ob sich die Morisken, die ihn vor dem allgemeinen Aufbruch angeheuert hatten, an die Absprachen hielten. Später würde er allein mit den Tieren und dem Geld für die Beförderung wieder von Sevilla zurückkehren.
»Warum nicht?« Fatima sprach die Frage laut aus, schließlich war sie allein im Saal. »Warum eigentlich nicht?«
Ein wohliges Gefühl durchströmte sie bei dem Gedanken. Ephraim, der Überbringer der neuesten Nachrichten aus Córdoba, hatte den Palast längst wieder verlassen. Sobald die ersten vertriebenen Morisken aus Valencia in den Barbareskenstaaten gelandet waren und Fatima somit wusste, was Ibn Hamid bevorstand, hatte sie Ephraim zu sich einbestellt. Der jüdische Kaufmann hatte sofort seine Beziehungen spielen lassen, für die Religion und Herkunft weniger wichtig waren als eine gute Bezahlung, und ihr die gewünschten Neuigkeiten überbracht: Auch der Erlass über die Vertreibung aus Andalusien sei in Kraft, folglich werde auch Hernando bald aus Spanien ausgewiesen werden, und er sei wahrscheinlich schon längst auf dem Weg nach Sevilla. Und er könne nichts dagegen unternehmen. Der Jude hatte auch erfahren, dass Hernando Ruiz sich bei den Obrigkeiten von Córdoba und offenbar auch in Granada, wo sein Gesuch auf Anerkennung als Hidalgo beim Obergericht anhängig war, viele Feinde gemacht hatte. Und die christliche Gattin werde mit den Kindern, die noch nicht sechs Jahre alt waren, in Spanien bleiben müssen.
Sobald Ephraim gegangen war, kam Fatima eine Idee. Sie ließ den Blick durch den prunkvollen Saal schweifen. Die Holzmöbel mit Intarsienarbeiten, die kleinen und großen Kissen aus kostbaren Stoffen, die Säulen, die Teppiche auf dem Marmorfußboden, die Lampen – all das barg auf einmal einen neuen Sinn, der sie zu einer Entscheidung verleitete. Denn
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